Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut
Er nahm den Helm ab, wischte sich den Schweiß von der Stirn, ballte die Faust und machte dann in die Richtung, in die Albert Horrenried verschwunden war, eine obszöne Geste.
11
Der Polizeipräsident hatte sich von Gächter detailliert berichten lassen. Jetzt schloß der Kommissar: »Vielleicht war es dieser Joe Keller tatsächlich nicht. Gerry Adler hat etwas mit Lohmanns Frau. Und er kassiert eine halbe Million aus einer Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit. Und alle beide – Adler und Frau Lohmann – hätten die Gelegenheit gehabt, Lohmann umzubringen.«
»Sie meinen, die beiden haben Lohmann auf dem Gewissen und wollen dem jungen Mann die Tat in die Schuhe schieben? Aber warum veranstaltet dann Mascha Niebur so eine hirnrissige Aktion?«
»Ihr Vertrauen zu uns scheint nicht besonders groß zu sein.«
»Was sagt denn der Bienzle dazu?«, wollte der Präsident wissen.
»Ich habe ihn noch nicht erreicht. Er ist zum Wandern in den Schwäbischen Wald gefahren. Anschließend hat er noch eine Woche Urlaub, um seine neue Wohnung zu beziehen.«
»Ach ja, stimmt ja...« Der Präsident strich mit den Fingerspitzen seine Augenbrauen glatt. »Er wär jetzt genau der richtige Mann, um die notwendige Sonderkommission zu leiten.«
»Ich werde natürlich...«, setzte Gächter an, aber sein Chef stoppte ihn.
»Nein, Sie werden gar nichts tun. Wenn man in eine Geschichte persönlich so involviert ist, soll man die Ermittlungen anderen überlassen.«
»Aber ich kann jetzt doch nicht die Hände in den Schoß legen!«, sagte Gächter verzweifelt.
»Der Kollege Gollhofer wird die Ermittlungen leiten, er wird schon wissen, wie Sie sich nützlich machen können.«
Gächter verzog das Gesicht. Gollhofer war in seinen Augen ein kleinkarierter Bedenkenträger. Schnelle Entscheidungen konnte man von dem nicht erwarten.
Wütend verließ er das Präsidium. Er grüßte den Pförtner, stieg in seinen Dienstwagen und fuhr zu dem Abrißhaus, in dem Mascha, Joe und ihre Freunde wohnten.
In der Gemeinschaftsküche saßen an einem langen Tisch ein paar der Bewohner zusammen und starrten Gächter feindselig an.
Jürgen machte den Wortführer. »Da können wir Ihnen nicht weiterhelfen.«
Gächter ließ sich nicht so leicht abspeisen. »Irgendeiner wird doch ein Foto haben, auf dem Mascha Niebur zu sehen ist.«
»Wozu brauchen Sie denn das?«, wollte ein Mädchen wissen, das in beiden Nasenflügeln und im linken Ohr hell glitzernde Sicherheitsnadeln trug.
»Zu Fahndungszwecken«, sagte Gächter knapp.
»Hier hat keiner ein Foto.« Jürgen verschränkte die Arme vor der Brust und grinste den Kommissar an.
»Wir werden schon eins finden.«
»Warum suchen Sie Mascha überhaupt?«, fragte das Mädchen.
»Sie hat ein Kind entführt, um ihren Freund freizupressen.«
»Das ist allerdings kraß«, meldete sich ein Junge.
»Stark, echt stark find ich das. Würd ich für ’nen Typ auch tun, wenn er’s wert wäre«, sagte das Mädchen.
Gächter wollte hier nicht rumdiskutieren. »Kann ich mal das Zimmer von Mascha Niebur sehen?«
»Nee«, sagte Jürgen kategorisch.
»Ich werd’s schon finden!« Gächter ging zur Tür.
Blitzschnell umrundete Jürgen den Kommissar und baute sich vor ihm auf.
Aber Gächter fackelte jetzt nicht mehr. Er zog seine Waffe und richtete sie auf Jürgen. »Lassen Sie sich bloß nicht einfallen, mich noch weiter zu behindern.«
Das Mädchen rief: »Brauchst du dafür eigentlich nicht so etwas wie einen Hausdurchsuchungsbefehl, Bulle?«
Gächter sah zu ihr hinüber. »Ja, wenn’s euch nützt, dann seid ihr plötzlich ganz auf der Seite des Gesetzes, was? Zu Ihrer Beruhigung, Gnädigste: Brauch ich nicht bei Ermittlungen wegen Kapitalverbrechen und bei Gefahr im Verzug.«
Er ging an Jürgen vorbei hinaus, der nun bereitwillig Platz machte und ihm folgte. Auf der Schwelle zu Maschas und Joes Zimmer lehnte sich Jürgen lässig gegen den Türbalken.
Gächter fand schon nach kurzem Suchen die Patronenschachtel und hob sie hoch. »Wissen Sie, was das ist?«
Jürgen schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
Gächter suchte weiter. Schließlich fand er einen Schuhkarton mit Fotos. Darunter auch ein Bild, das offenbar bei einer Fete gemacht worden war.
»Wo ist denn das gewesen?«, fragte Gächter.
Jürgen warf einen Blick über die Schulter, aber von den anderen war ihnen keiner nachgekommen. »In der alten Zuckerfabrik. Wir haben da ein paar Monate gewohnt.«
Auf dem Bild waren sowohl Mascha als auch
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