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Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut

Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut

Titel: Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Huby
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auf dem zweimal im Jahr das große Volksfest gefeiert wurde, der jetzt aber kahl und verlassen dalag. Am Bahnhof Bad Cannstatt nahm er den Zug Richtung Schorndorf.

25
    Martin Horrenried war zur Polizeiwache gebracht worden, um seine Fingerabdrücke nehmen zu lassen. Sein Sohn Winfried hatte darauf bestanden, den Vater zu begleiten. Als Bienzle den Raum betrat, sagte der Bruder des Toten: »Das ist eine ziemlich entwürdigende Prozedur.«
    Bienzle nickte: »Ich weiß, aber was sein muß, muß sein. Wenn Sie fertig sind, würde ich gerne mit Ihnen reden.«
    Martin nahm von einem Beamten ein feuchtes Tuch entgegen, um seine Finger zu reinigen. Bienzle deutete auf die Tür zu einem Nebenraum. »Dort vielleicht.«
    Während sie in das Nachbarzimmer gingen, sagte Bienzle: »Ich hab ja nun mitgekriegt, wie Sie sich gestern Abend gestritten haben, Sie und Ihr Bruder...« Er öffnete die Tür.
    Winfried rief: »Soll ich meine Fingerabdrücke nicht auch gleich abgeben? Ich hab mindestens genauso einen Haß auf meinen Onkel gehabt wie mein Vater.«
    »Sie sind der Sohn?« Bienzle schaute zwischen den beiden Horrenrieds hin und her. Die Ähnlichkeit war unverkennbar. »Von mir aus, schaden kann’s nix! Wo waren denn Sie in der letzten Nacht?«
    »Daheim.«
    »Und Ihr Vater?«
    »Auch. Zwischen elf, halb zwölf, als ich von meiner Werkstatt in die Wohnung rüber bin, war er da.«
    »Den ganzen Abend?«
    »Ja sicher!«
    Der Nebenraum war spartanisch eingerichtet. Ein Tisch und zwei Stühle. Eigentlich ein Verhörzimmer.
    »Nach dem Streit mit Ihrem Bruder hätten Sie ein Motiv gehabt«, sagte Bienzle.
    »Ich bin kein Mörder.«
    Bienzle fuhr unbeirrt fort: »Und normalerweise beerben Sie ihn ja auch.«
    »Was heißt das: ›normalerweise?‹«
    »Na ja, wenn er kein Testament gemacht hat, das jemanden anders begünstigt.«
    »Wie ich ihn kenne, hat er das bestimmt gemacht!« Horrenried setzte sich unaufgefordert auf einen der beiden Stühle.
    Bienzle blieb stehen. »Erzählen Sie doch mal: Was hat Sie eigentlich so auseinander gebracht – Sie und Ihren Bruder?«
    Martin Horrenried lehnte sich weit auf dem Stuhl zurück und schloß die Augen. »Mein Vater hat mich gezwungen, eine Lehre als Holzkaufmann zu machen. Ich wollte viel lieber Musiker werden. Erst als mein Vater tot war, konnte ich dann auf die Musikakademie. Meine Mutter hat das immer gefördert. Aber gegen ihren Mann ist sie natürlich nicht angekommen.« Er öffnete die Augen wieder und sah Bienzle von unten herauf an.
    »Ja, wenn das natürlich ist...«, sagte der. »Und weiter?«
    »Mein Bruder war froh, daß ich weg war. Er hat sofort alles an sich gerissen. Ich hab monatlich meinen Scheck gekriegt und war der glücklichste Mensch der Welt. Und dann kam die Gelegenheit, auf die Albert gewartet hatte. Ich war mitten in einem Wettbewerb. Es ging um den Landesmusikpreis und ich war als Trompeter in der Endausscheidung – unter den letzten drei. Ich hab jeden Tag geübt bis in die Nacht hinein. Und ich war mir ganz sicher, ich würde gewinnen, wenn ich endlich diese Larasse-Trompete bekommen könnte. Ein sündhaft teures Instrument.«
    »Lassen Sie mich raten«, sagte Bienzle, »Ihr Bruder hat Ihnen das Instrument bezahlt.«
    »Ja!«
    »Und was hat er dafür verlangt?«
    »Er hat verlangt, daß ich im Gegenzug eine Vollmacht unterschreibe. Mir war damals alles recht. Ich hab unterschrieben, ohne genau hinzusehen. Es war eine Vollmacht und eine Verzichtserklärung. Mit einem Federstrich hab ich mein ganzes Vermögen verloren!«
    »Haben Sie den Wettbewerb denn wenigstens gewonnen?«
    »Ja, aber danach nie wieder einen. Ich hab plötzlich asthmatische Anfälle gekriegt. Schlechte Voraussetzungen für einen Trompeter. Zum Umschulen auf ein anderes Instrument war es zu spät. Und dann ist auch noch der Monatsscheck von meinem Bruder ausgeblieben. Als ich das Geld angemahnt habe, hat er nur gelacht. ›Du kriegst von mir nie mehr auch nur eine Mark‹, hat er gesagt – den Satz werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen.«
    »Haben Sie ihn umgebracht?«
    »Nein!« Martin Horrenried sagte es mit einem trotzigen Ton, vermied dabei aber, Bienzle in die Augen zu schauen.
    Als Vater und Sohn Horrenried die Polizeiwache verließen, stand Bienzle am Fenster und sah ihnen nach. »Was sagt man denn so über den Martin Horrenried?«, fragte er, ohne sich umzusehen. Bechtle, der an seinem Schreibtisch saß, einen Apfel schälte und darauf achtete, daß die Spirale der Schale

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