Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut
vernichten...«
»Ja, ich zerreiß es.«
»Das langt nicht. Verbrennen mußt du’s, und zwar so, daß nichts zurückbleibt.«
»Ja, ist gut...« Plötzlich fragte sie weich: »Du, Winfried...?«
»Bitte, Inge... Danach können wir ganz ruhig alles besprechen... Jetzt erst mal das Testament...!«
»Du liebst mich doch?«
Winfried wollte zuerst barsch reagieren, bemühte sich dann aber um ein kleines Lachen. »Das ist genau die Frage, die ihr Frauen in jeder Lebenslage stellen könnt. Natürlich lieb ich dich!«
»Für mich ist das wichtig!«
Auch seine Stimme bekam nun einen weichen Klang. »Inge, ich bin jetzt ganz nah bei dir. Das mußt du ganz fest glauben, ja? Also, du nimmst das Testament und verbrennst es, ja?«
»Ja... ja, natürlich, Winni!«
»Erzähl mir, wie du’s machst... Wo verbrennst du’s?«
Inge holte einen großen Aschenbecher, zerknüllte das Papier und zündete es an. »Im Aschenbecher.«
Winfried fragte aufgeregt: »Was ist, hast du’s schon angezündet?«
»Ja, ja... es brennt...« Inge wedelte den Rauch mit der Hand weg.
»Ganz runterbrennen lassen, bis alles total verkohlt ist«, sagte er.
»Ja.« Inge starrte fasziniert in die kleinen bläulichen Flammen. Sie hatte plötzlich ein Gefühl des Triumphs.
»Und dann nimmst du irgendwas und zerstößt die Asche«, ertönte Winfrieds Stimme an ihrem Ohr. Im gleichen Augenblick klingelte es an der Tür.
»Es hat geklingelt. Was mach ich denn jetzt?« Sie rannte Richtung Tür, machte kehrt, lief zum Schreibtisch zurück. Das Papier war nun heruntergebrannt.
Winfried rief: »Ganz ruhig bleiben. Gaaaanz ruhig. Der an der Tür kann warten.«
Inge zog rasch einen Schuh aus und zerstampfte die schwarzen Reste mit den Absatz. »Ich habe die Asche zerstoßen. Mit dem Absatz von meinem Schuh.«
»Du bist echt Klasse!«
Es klingelte erneut, Inge zog den Schuh wieder an. »Ich muß jetzt aufmachen«, sagte sie ins Telefon.
»Ich komm, sobald ich kann«, sagte Winfried noch rasch und schaltete sein Gerät aus. Dann stieß er die Luft aus, als ob er sie die ganze Zeit angehalten hätte.
Es klingelte schon wieder. Inge wollte zur Tür, kehrte aber noch mal um, rannte in die Küche und entsorgte die Asche in einem Mülleimer. Erst dann ging sie zur Tür und öffnete, ein bißchen atemlos.
Bienzle stand auf der Schwelle. »Grüß Gott.« Er stellte sich vor und zeigte dabei seinen Dienstausweis. »Hauptkommissar Bienzle. Mein herzliches Beileid. Ich kann mir vorstellen, wie schwer das alles für Sie ist.«
Inge nickte und schniefte ein bißchen.
Bienzle hob die Nase und schnüffelte. »Wir müssen leider davon ausgehen, daß der Herr Horrenried ermordet worden ist... Riecht, als ob irgendwo was brennt.« Er ging unaufgefordert in die Wohnstube hinein. Aber er fand keine Hinweise auf etwas, was verbrannt worden wäre. »Jetzt erzählen Sie mir mal genau, was gestern passiert ist.«
Inge versuchte, Zeit zu gewinnen. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
Bienzle setzte sich an den Tisch. »Also, Ihr Mann...«
»Er war nicht mein Mann«, unterbrach sie ihn.
»Aber Sie haben doch zusammengelebt, oder? Ich meine – auf mich wirken Sie wie die Hausfrau hier.«
Inge nickte und sah dann zu Boden. »Ja, das stimmt auch... Es ist schon weit nach elf Uhr gewesen. Da ist er noch mal runtergegangen... Sonst macht er immer gleich nach Feierabend seinen Rundgang, aber gestern...«
»War denn was Besonderes gestern? Ich meine, wenn es sonst seine Gewohnheit war...«
»Ich weiß nicht. Er hat eine unheimliche Wut im Bauch gehabt.« Sie schniefte wieder.
»Warum?«, fragte Bienzle trocken.
Inge zuckte nur mit den Schultern. »Bei ihm weiß man das nie so genau.«
»Haben Sie sich gestritten?«
»Nein.«, sagte sie entschieden.
»In der Halle sind eine Menge Maschinen zerstört. Das muß einen Riesenkrach gegeben haben. Wann genau war das?«
»Keine Ahnung.«
»Wollen Sie damit sagen, Sie haben nichts gehört?«
»Ich schlafe nach hinten raus. Außerdem hab ich ein Schlafmittel genommen.«
»Machen Sie das öfter?«
»Wenn’s nötig ist halt.« Inge hatte sich gefangen. Der konnte lange fragen. Sie hatte jetzt ein klares Ziel. Und sie würde es erreichen. Zusammen mit Winfried, dem Mann, den sie liebte.
Es klingelte, und gleichzeitig ging die Tür auf, die Bienzle nur angelehnt hatte. Hajo Schmied kam herein. »Grüß Gott«, sagte er und schaute dabei Bienzle an, »der Herr Bechtle hat mir g’sagt, Sie leiten die Ermittlungen. Grüß
Weitere Kostenlose Bücher