Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut
sowieso noch drauf angesprochen. Am besten verzichtest du bei der Gelegenheit gleich zu meinen Gunsten.«
Der Vater fiel aus allen Wolken. »Bitte? Wie meinst du das jetzt?«
»Dann sparen wir nämlich einmal die Erbschaftssteuer.«
»Erst wollen wir mal sehen, ob’s überhaupt so kommt. Und dann schauen wir weiter.«
Plötzlich wurde Winfried hart: »Nein, du verzichtest gleich!«
Martin war vom Ton seines Sohnes irritiert. Er schaute ihn befremdet an. »Sag mal, was ist denn mit dir los?«
»Nichts, aber warum sollen wir dem Staat einen Haufen Erbschaftssteuer schenken? Erst zahlst du, und wenn ich dann mal von dir erbe, zahle ich...«
»Natürlich zahlen wir deine Schulden sofort, und du sollst auch alles haben, was du für den Ausbau deiner Werkstatt brauchst. Du weißt ja, für dich war mir nie etwas zu viel. Aber auf das Erbe verzichten... nein!«
»Du hast gar keine andere Wahl!« Winfried sprach eindringlich weiter: »Vater! Du bist ein Mann ohne Zukunft. Ich hab Pläne, verstehst du? Ich will raus aus dieser miesen kleinen Werkstatt, aus diesem miesen kleinen Haus, aus diesem miesen kleinen Dorf. Das Sägewerk verkaufe ich. M-und-B-Holzkontor übernimmt den Laden mit Kußhand, und das zu einem Preis, daß dir die Augen übergehen.«
»Jetzt mal langsam, hast du etwa mit denen...?«
Winfried unterbrach ihn: »Meinert hätt mich sogar in die Geschäftsführung reingenommen, wenn ich nicht ganz andere Pläne hätte. Ich bau mir eine der modernsten Tuning-Werkstätten auf! International. Alles Hightech.«
Martin starrte seinen Sohn an, als ob er ihn zum ersten Mal sehen würde. »Du bist also allen Ernstes mit meinem Erbe hausieren gegangen?«
»Mit deinem Erbe? Wenn du Alberts Mörder bist, erbst du keinen Pfennig und alles geht an den Nächsten in der Rangfolge über – ich habe mich da erkundigt. Und der Nächste bin ich!«
»Aber ich habe ihn nicht ermordet.«
»Es wurde dir noch nicht nachgewiesen, das ist ein Unterschied.«
»Was redest du denn da?«
»Ich hab dem Bullen gesagt, du seist um halb zwölf zu Hause gewesen...«
»Ja, stimmt ja auch. Und der Albert ist zwischen eins und halb zwei gestorben!«
»Aber dafür, daß du um diese Zeit hier warst, gibt’s außer mir keinen Zeugen. Und wenn ich hingehe und sage, ich hab mich geirrt? Du seist dann noch mal weggegangen und erst kurz nach halb zwei heimgekommen, was ist dann?«
Martin schaute seinen Sohn sprachlos an.
»Aber das mache ich natürlich nicht«, fuhr der fort, »wenn du morgen zu meinen Gunsten verzichtest.« Er warf noch rasch einen Blick in den Spiegel und ging dann, offensichtlich sehr mit seinem Anblick zufrieden, hinaus.
Erst als er die Tür hinter sich zugemacht hatte, fand Martin Horrenried die Sprache wieder. Es klang kläglich, als er nun hervorstieß: »Winfried... Winni...! Bub!«
39
Die Feierabendsirene ertönte. Die Männer im Sägewerk Horrenried machten sich auf den Weg nach Hause und ins Wochenende. Aus dem Wohnhaus am Hang trat Inge Kranzmeier. Sie hatte den großen Schlüsselbund in der Hand und schickte sich an, den Kontrollgang zu machen, der sonst Alberts Sache war. Kaum war sie in der Halle verschwunden, da trat Hajo Schmied aus dem Schatten eines Baumes, wo er auch seinen Jeep geparkt hatte.
Inge ging durch die Halle, deckte eine Maschine mit einer Plane ab, fegte Sägespäne zusammen, kontrollierte den Elektrokasten. Plötzlich hörte sie, daß das Rolltor bewegt wurde. Sie fuhr herum. Am Eingang stand Hajo Schmied.
»Er hat am Telefon zu mir gesagt, sie betrügt mich mit dem Winfried«, sagte er ohne lange Vorrede.
Inge antwortete obenhin. »Ja, das war so eine fixe Idee von ihm.«
Hajo kam näher. »Ich hätt’s dem Kommissar sagen können.«
»Und warum hast du’s nicht gemacht?«
Hajo trat nun sehr dicht an Inge heran. Sie roch seinen Atem, als er sagte: »Ich hab gedacht, daß dir das was wert sein könnt.« Gleichzeitig faßte er um sie herum und wollte sie an sich ziehen.
Inge stemmte ihre Fäuste gegen seine Brust. »Sag mal, bist du wahnsinnig? Der Albert ist noch nicht einmal unter der Erde.«
Hajo ließ sie los und grinste. »Na gut, so lang kann ich noch warten.« Er ging ein paar Schritte von Inge weg und wendete sich ihr dann wieder zu. »Was ist mit dem Testament?«
»Was soll damit sein?«
»Wir bringen dich schon dazu, die Wahrheit zu sagen...« Seine Stimme hatte nun einen drohenden Klang angenommen.
Inge verlor langsam die Nerven. »Menschenskind, ich erb doch
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