Ernst Bienzle 14 - Bienzle und die lange Wut
erschießen müssen, Joe«, sagte Bienzle.
»Was ist los?«
Mascha schrie hysterisch: »Da ist kein Geld drin, hast du das nicht kapiert?«
»Und ich werde Ihnen dabei in die Augen sehen«, fuhr Bienzle ungerührt fort.
»Was soll denn der Scheiß?«, schrie Joe. »Habt ihr uns also doch gelinkt?«
»Da ist schon Geld drin, aber keine Viertelmillion! Unter der ersten Schicht ist Zeitungspapier«, sagte der Kommissar.
Joe riß die Tasche auf. In diesem Augenblick hörten sie die ersten Martinshörner, die schnell näher kamen und sich zu vermehren schienen.
Joe setzte die Waffe an Bienzles Stirn.
Bienzle sagte: »Viel muß ich mir nicht vorwerfen, wenn jetzt tatsächlich Schluß sein sollte.«
»Das hast du uns eingebrockt!«, schrie Joe.
Und Bienzle konnte es nicht lassen zu sagen: »Das haben Sie sich alles selber eingebrockt. Und jetzt noch ein Mord. Sie meinen wohl, darauf käm’s jetzt auch nicht mehr an.«
Mascha schrie: »Joe, wir müssen weg!«
»Wir haben ihn doch als Geisel«, schrie ihr Freund zurück.
»Das wird Ihnen nicht viel bringen. Der Staat läßt sich nicht erpressen«, sagte Bienzle.
Mascha hatte sich auf das Motorrad geschwungen und startete es jetzt.
Bienzle sagte: »Sie haben keine Chance – so oder so!«
Mascha war dicht herangefahren. Sie griff nach ihrem Freund. »Los, komm!«
Die Mündung der Pistole rutschte von Bienzles schweißüberströmter Stirn ab, weil Mascha an Joes Arm gezogen hatte. Bienzle schlug hart gegen dessen Arm. Die Waffe glitt dem jungen Mann aus der Hand und trudelte über den noch immer regennassen Asphalt.
Die Martinshörner waren jetzt ganz in der Nähe. In den Fenstern der umliegenden Häuser sah man den Widerschein der kreiselnden Blaulichter. Endlich sprang auch Joe auf das Motorrad auf. Mascha raste los, und zwar just in dem Moment, da die ersten Polizeieinsatzfahrzeuge mit quietschenden Reifen in die Gasse einbogen. Doch in der Stuttgarter Altstadt gibt es noch immer Durchlässe, Gassen und schmale Staffeln, die von Motorrädern und Fahrrädern passiert werden können, nicht aber von Autos. Und so gelang es Mascha und Joe, noch einmal zu entkommen.
36
Bienzle wurde von zwei Kollegen zur Einsatzzentrale gebracht. Dort saß Patrick in eine Decke gehüllt and aß genüßlich eine Currywurst. Gächter stand auf, als Bienzle hereinkam, und nahm den Freund stumm in die Arme.
Bienzle tätschelte ihm die Schulter und sagte: »Jetzt brauch ich erst einmal einen Schnaps – einen doppelten nach Möglichkeit.«
»Nach dem, was Sie alles durchgemacht haben, kriegen Sie natürlich sofort Urlaub«, sagte der Präsident.
»Ich hab Urlaub«, sagte Bienzle, »haben Sie das vergessen?«
»Ach ja, richtig. Und Sie sollten sich auch in die Behandlung von Dr. Burgbacher begeben.«
»Wer ist denn das?«, fragte Bienzle.
»Unser Polizeipsychologe, wissen Sie das nicht?«
»Ach so, der. Ich glaub, ich geh lieber heim zu meiner Hannelore, die ist für meine Psyche garantiert besser.« Aber dann wendete er sich doch erst noch Patrick zu. »Grüß dich, Patrick, ich bin der Bienzle.«
»Ja, der Onkel Günter hat schon viel von dir erzählt«, sagte der Junge mit vollem Mund.
Erst als Bienzle die Einsatzzentrale verließ, erfuhr er von Kollegen, wie die Jagd auf Mascha und Joe zu Ende gegangen war.
Mascha hatte sich durch enge Gassen und Hausdurchlässe geschmuggelt und war auf der Höhe des Südheimer Platzes auf die B 14 gekommen, die wie ein schmerzhafter Schnitt durch Stuttgarts Zentrum führt. Kurz vor dem Friedrich-Wilhelm-Platz tauchte die erste Straßensperre auf, die sie gerade noch umfahren konnte, aber bei diesem Manöver wurden die beiden erkannt. Und alle verfügbaren Polizeikräfte machten Jagd auf sie.
Mascha bretterte durchs Leonhardtsviertel, vorbei an den Huren, die hier standen und sie wüst beschimpften. Sie erreichte die Breuninger Hochgarage. Das Motorrad schlüpfte zwischen dem Schlagbaum und der Betonwand hindurch und donnerte die eng gewundenen Serpentinen hinauf bis zu den Stellplätzen auf dem Dach. Hier hielt Mascha an. Beide stiegen ab.
»Wir haben keine Chance«, sagte Mascha.
»Genau genommen haben wir nie eine gehabt.« Joe legte beide Arme um sie und zog sie dicht an sich. Sie küßten sich und versuchten zu ignorieren, daß vor dem Parkhaus mehrere Polizeifahrzeuge heranfuhren. Sie küßten und streichelten sich weiter, als sie das erste Fahrzeug schon im Inneren des Parkhauses die Rampe heraufkommen hörten.
»So
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