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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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nicht zu einer Freiheitsstrafe.«
    »Richtig, ja, so weit steht das ja auch in den Akten. Aber mich interessiert mehr Ihre Sicht der Dinge. Gab es jemanden, der besonders heftig gegen die Frau aufgetreten ist? Und ich habe auch was von Zeugenbeeinflussung gehört … «
    »Also, zu Ihrem ersten Punkt: Alle waren damals in zwei Lager gespalten: die, die für die Ärztin waren, und die gegen sie. Natürlich gab es auf beiden Seiten auch mehr oder weniger leidenschaftliche Vertreter. Und ja: Frau Heiligenfeld hat meines Wissens auch Drohbriefe bekommen. Die Urherber konnten aber nicht ausfindig gemacht werden. Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft: Es wurde damals gemunkelt, dass Zeugen beeinflusst worden sind. Wenn Sie meine persönliche Meinung hören wollen, dann glaube ich das auch. Allerdings haben wir in dieser Richtung nie jemandem etwas nachweisen können. Wissen Sie: Illegale Abtreibung geschieht ja nicht nur vor dem Gesetz im Verborgenen. Auch das soziale Umfeld der jeweiligen Frau ist meist etwas komplizierter, da kann man, wenn man denn wollte, leicht den Hebel einer Beeinflussung ansetzen. Aber wie gesagt: Das sind alles Spekulationen.«
    »Hm. Gab es bei Herrn Sutter ähnliche Versuche?«
    »Soweit ich mich erinnere, nein. Es gab da diesen einen tragischen Fall. Eine ältere Dame hat sich da in erhebliche Finanznöte gebracht, weil sie von Mitarbeitern von Herrn Sutters Firma immer wieder Produkte angedreht bekommen hat, die nicht nur meiner Meinung nach maßlos überteuert waren. Allerdings war das rechtlich einwandfrei, da war Herrn Sutter nicht an den Karren zu fahren. Eine erschreckende Wendung hat das Ganze bekommen, als sich die alte Frau, die irgendwann finanziell ruiniert war, aus ihrem Fenster gestürzt hat. Nach Meinung vieler hätte Herr Sutter das verhindern können, wenn er sich ein bisschen kulanter gezeigt hätte. Aber das ist nun wirklich keine juristische Kategorie.«
    »Verstehe. Ihnen waren also auch hier die Hände gebunden.«
    »Nicht auch. Im ersten Fall war ich ja der Staatsanwalt. Nur im zweiten Fall hatte ich die Entscheidung über das Strafmaß zu treffen. Allerdings waren mir nicht die Hände gebunden, wie Sie das nennen. Ich habe nach den juristischen Grundsätzen gehandelt. Das war alles. In diesen Kategorien denken wir Richter. Alles andere wäre nicht angebracht.«
    »Natürlich. Gab es auch hier irgendjemanden, der besonders heftig gegen Sutter auftrat?«
    Zum ersten Mal dachte Hartmann kurz nach, bevor er eine seiner druckreif formulierten Antworten gab: »Ja, jetzt, wo Sie es sagen. Ich erinnere mich an einen nahen Verwandten der alten Frau, der als Nebenkläger aufgetreten ist. Ohne Erfolg. Nach der Urteilsverkündung hat er Sutter angeschrieen, dass auch er sich der höheren Gerechtigkeit nicht würde entziehen können. Aber ich sehe hier leider keinen Zusammenhang zum ersten Fall.«
    Kluftinger und seine Kollegen waren beim letzten Satz des ehemaligen Richters hellhörig geworden. Höhere Gerechtigkeit – das klang vielversprechend und verdiente eine nähere Betrachtung, da waren sie alle unausgesprochen derselben Meinung.
    »Den Namen des Mannes … «
    » … weiß ich nun wirklich nicht mehr, den finden Sie sicher im Sitzungsprotokoll.« Mit diesen Worten stand Hartmann auf und beendete von sich aus das Gespräch. »So, meine Herren, ich nehme an, dass es das war.«
    Kluftinger bestätigte etwas widerwillig, nicht jedoch ohne seinen gewohnten Zusatz: »Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt …«
    Zu mehr kam er nicht, denn der Richter fiel im ins Wort: »Herr Hauptkommissar, ich war lange genug in diesem Beruf tätig, um einschätzen zu können, was wichtig ist und was nicht. Außerdem ist mein Gedächtnis nicht so schlecht, wie mein fortgeschrittenes Alter Sie offensichtlich vermuten lässt. Was ich damit sagen will: Ich habe Ihnen alles gesagt, was relevant für Sie sein könnte. Dennoch biete ich Ihnen gerne an, falls Sie selbst noch Fragen haben, mich jederzeit zu kontaktieren. Ich werde dann natürlich alles tun, um Ihnen weiterzuhelfen.«
    Der kurze Vortrag war nüchtern, ohne erkennbare Gefühlsregungen. Danach bat Hartmann Maier, ihm seinen Mantel zu bringen, verabschiedete sich mit einem Nicken und verließ den Raum.
    Kaum hatte er die Tür hinter sich zugezogen, war eine gewisse Erleichterung bei den Polizeibeamten zu spüren. Ihre steife Haltung wich wieder dem gewohnten, lockeren Umgangston. Dennoch traute sich keiner, die sonst übliche und

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