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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Lächeln, wie Kluftinger fand.
    Der Kommissar starrte auf die Kacheln an der Wand vor ihm und hoffte inständig, dass Möbius so viel Takt besitzen und in die Kabine gehen würde.
    Umsonst, denn der platzierte sich nur ein Urinal weiter. Erste Schweißtropfen bildeten sich auf der Stirn des Kommissars. Aus den Augenwinkeln versuchte er, zum Nebenmann zu schielen, doch er konnte nicht erkennen, wohin der blickte. Die Muskeln in Kluftingers Körper verspannten sich – mit verheerender Wirkung: Er konnte nicht. Nicht mehr, jedenfalls. Erinnerungen kamen wieder hoch, denn er hatte dieses Problem nicht zum ersten Mal. Vor zehn, vielleicht zwölf Jahren war es urplötzlich und ohne Vorwarnung zum ersten Mal aufgetreten. Auf der Toilette der Universität Augsburg. Er und seine Kollegen hatten dort im Hörsaal dem Referat eines namhaften Kriminologen beigewohnt. In der Pause war Kluftinger aufs Klo gegangen, kurze Zeit später war ihm der Referent gefolgt. Und dann war plötzlich nichts mehr gegangen. Je mehr er gepresst, gezogen und gedrückt hatte, desto weniger hatte er das Gefühl gehabt, noch irgendetwas ins Laufen bringen zu können. Nie hatte er jemandem davon erzählt und mit den Jahren war es tatsächlich wieder besser geworden. Meist half ihm ruhiges, tiefes Durchatmen. Doch heute ging gar nichts.
    Das muntere Plätschern zwei Meter neben ihm verriet, dass der Staatsanwalt über derlei Probleme nicht klagen konnte.
    Herrgottnochmal, ist der die letzten zwei Wochen denn an keiner Toilette vorbeigekommen?, fluchte Kluftinger innerlich, weil ihm die Verrichtung seines Nebenmannes entschieden zu lange dauerte. Erst als der heruntergespült hatte und mit einem freundlichen – oder sogar mitleidigen, wie Kluftinger argwöhnte – »Machen Sie’s gut!« das für Kluftinger heute allzu stille Örtchen wieder verließ, entspannte er sich und es lief auf einmal wie geschmiert.
    ***
    »Blickt ihr da durch?«
    »Bissle viel, wenn du mich fragst. Das dauert Tage, das alles zu durchforsten!«, stöhnte Hefele mit Blick auf die Gerichtsakten, die den großen, ovalen Tisch im Besprechungszimmer bedeckten. Jeder der acht anwesenden Kriminalbeamten – Kluftinger hatte von Lodenbachers Angebot Gebrauch gemacht und vier Kollegen aus anderen Abteilungen für seine Sonderkommission abgezogen
    – war seit einer halben Stunde in irgendein Schriftstück vertieft und versuchte, sich Notizen zu machen.
    »Wir könnten die betreffenden Richter anrufen, dann könnten die uns über die Fälle das Wichtigste sagen«, warf Maier halblaut ein. Seine Stimme klang nicht so, als ob er erwartet hätte, dass dieser Vorschlag auf Gegenliebe stoßen würde.
    Die restlichen sieben Kollegen hoben die Köpfe und sahen sich kurz an. Sie schienen Maier regelrecht dankbar für den Vorschlag zu sein, der ihnen allen auf der Zunge gelegen hatte. Aktenstudium gehörte nun einmal nicht zu den beliebtesten Aufgaben. Eifrig suchten sie nach den Namen der Vorsitzenden. »Bei dem Sutter war es Richter Hartmann, der die Verhandlung geleitet hat«, sagte Hefele.
    Ein dicker Kollege mit Brille wurde hellhörig: »Hartmann? Kann das sein, dass das der gleiche ist, der bei der Heiligenfeld Staatsanwalt war? Der heißt nämlich auch so?«
    »Könnt schon sein, der Hartmann wird halt auch mal Staatsanwalt gewesen sein.«
    »Günter Hartmann?«, fragte Hefele und der Kollege nickte.
    »Scharfrichter Hartmann? Das trifft sich ja gut. Dann geht’s in einem Aufwasch«, freute sich der Kommissar. »Aber ich glaub, der ist schon pensioniert. Ich ruf am besten mal bei Möbius an, der müsste doch seine Telefonnummer wissen.«
    »Schon wieder Sehnsucht?«, fragte Strobl und setzte einen mitleidigen Hundeblick auf, bevor er wie die anderen in Gelächter ausbrach.
    »Deppen!«, brummte Kluftinger, den Hörer am Ohr. »Nein, Sie nicht, um Gottes Willen, Fräulein Henske. Die anderen, aber was erzähle ich Ihnen da, das wissen Sie ja selber am besten. Würden Sie bitte mal die Nummer von Staatsanwalt Dr. Möbius raussuchen? … Ach, wissen Sie auswendig? Na umso besser … ja, verbinden Sie mich doch gleich, danke.«
    Während Kluftinger sich noch wunderte, dass seine Sekretärin, die sonst über kein gutes Zahlengedächtnis verfügte, die Nummer gleich parat gehabt hatte, sah er den drei Beamten mit versteinerter Miene eindringlich in die Augen.
    »Kluftinger, Herr Dr. Möbius, entschuldigen Sie die Störung. Ich hab noch eine Bitte.« Noch immer fixierte der

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