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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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rumpelnde Edelstahlwannen, das Wetzen von Messern und schließlich ein Kreischen wie von einer riesigen Kreissäge. Von einem anderen, durch große Plastikvorhänge und Kunststofflappen abgeschirmten Teil des Raumes kamen in regelmäßigen Abständen Rinderhälften, die an einem massiven Haken auf einer Schiene an der Decke aufgehängt waren, hereingefahren. Von diesem »Fleischlift« wurden sie ein Stückchen weiter von zwei Arbeitern abgenommen und auf ein riesiges Förderband gehievt.
    Frau Aigler ging auf einen dunkelhaarigen Arbeiter zu, der sich gerade ein großes Stück Fleisch vom Förderband auf einen Arbeitstisch gezogen hatte, um es schließlich in handlichere Stücke zu zerteilen.
    »Salvatore, wo ist denn der Brentano heute?«, schrie sie wenig damenhaft, um den Lärm zu übertönen.
    Der groß gewachsene Italiener zog sich daraufhin zwei kleine Stöpsel aus den Ohren und rief: »Allo, Signora Aigler. Che bella! Wasse bitte?«
    »Der Brentano, Heinz Brentano, wo steht der heute?«
    »Einze? Isch er Knochensäge eute. Ganze Tag.«
    Frau Aigler bedankte sich und wenig später standen sie vor einer schrill kreischenden Säge.
    »Herr Brentano!«, schrie Frau Aigler direkt hinter dem kleinen, aber sehr kräftig wirkenden Mann an der Maschine. »Herr Brentano! Hören Sie!« Schließlich tippte sie Brentano auf die Schulter, woraufhin der erschrocken zusammenzuckte und sich dann so unvermittelt und mit einem derart versteinerten Gesicht umdrehte, dass Frau Aigler unwillkürlich einen Schritt zurückwich.
    »Hey, des isch g’fährlich!«, schrie er aus voller Kehle. Im Mund hatte er ein zerkautes Streichholz. »Ah, Frau Aigler! Was wollen Sie?«, fuhr er zwar mit gemäßigter Aggressivität, aber nicht weniger laut fort. Sie bedeutete ihm, dass er seine Ohrenschützer doch abnehmen sollte.
    »Zwei Herren von der Kriminalpolizei!«, rief die Frau ihm dann zu, während die Säge weiterlief. Dabei deutete sie auf Kluftinger und Maier, die ihm zunickten.
    »I hab nix ang’stellt«, gab sich Brentano unbeeindruckt.
    Mit den Worten »Ich lasse Sie allein. Wenn Sie etwas brauchen
    – ich bin im Büro drüben« verabschiedete sie sich.
    Kluftinger besah sich Brentano nun genauer. Er war ein wenig kleiner als Kluftinger, einen Meter siebzig vielleicht, hatte aber ausgeprägte Muskelpakete an beiden Armen, die unter einem weißen Metzgerhemd mit dünnen blauen Streifen herausschauten. Er wirkte gedrungen, die Muskeln überproportioniert. Seine Füße steckten in weißen Gummistiefeln, darüber trug er eine blutverschmierte Gummischürze. Die Hände wurden von feinmaschigen Kettenhandschuhen vor Schnitten geschützt. Auf dem kurzen, dikken Hals ruhte ein rundes, ungepflegtes Gesicht: Er war schlecht rasiert, blaue Äderchen traten an den roten Wangen hervor, die Nase war wohl nach einem Bruch schlecht verheilt. Sie wirkte platt und verlieh ihm ein bulliges Aussehen. Die zusammengewachsenen, buschigen Augenbrauen, der tiefe Haaransatz und die stoppeligen, schmutzig-braunen Haare erinnerten an das Äußere eines zweitklassigen Vorstadtboxers. Sein Blick war stechend, die wulstigen Lippen, die noch immer das Streichholz festhielten, wirkten asymmetrisch.
    Hier an der Säge war der Gestank besonders intensiv, zu dem feucht-blutigen Geruch der Halle kam das Aroma von verbranntem Gewebe, eine Folge der Temperaturen, die beim Zertrennen der Knochen entstanden. Im Hintergrund hörte Kluftinger Kühe, die regelrecht zu schreien schienen. Vielleicht kam es ihm aber auch nur so vor. In ihm machte sich der Ekel vor Fleisch breit. Er nahm sich in diesem Moment fest vor, Vegetarier zu werden, so sehr widerte ihn die Schlachthof-Atmosphäre an.
    Brentano schien ungeduldig, er legte nicht einmal den Knochen, an dem er gerade gesägt hatte, in die Edelstahlwanne zurück. Noch immer lief die Säge weiter, auch als sich Kluftinger bereits vorgestellt hatte und die erste Frage stellte: »Herr Brentano, erinnern Sie sich an Gernot Sutter?«
    Brentanos Miene verfinsterte sich. Die Augen verengten sich zu Schlitzen, er presste seine Lippen aufeinander und die Nasenflügel blähten sich leicht auf. Angestrengt presste er hervor: »Der Sutter? Die Drecksau!«
    Nun geschah etwas, womit weder Maier noch Kluftinger gerechnet hätten: Brentano drehte sich wieder um und zersägte den Knochen, den er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte.
    »Herr Brentano, wir haben noch weitere Fragen. Bitte hören Sie uns zu!«
    »Ich muss schaffen. Wir

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