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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Kommissar seine Mitarbeiter. »Nein, die Akten sind komplett. Es geht mir um etwas anderes … könnten Sie mir eine Nummer besorgen? Ich … «
    Kluftinger konnte seinen Satz nicht vollenden. Kehliges, schallendes Gelächter machte das Telefonieren unmöglich. Rasch presste er die Hand auf den Hörer, als Strobl mit hochrotem Kopf unter bebendem Lachen »eine Nummer besorgen« wiederholte.
    »Raus mit euch, Kindsköpf, blöde!«, zischte Kluftinger, und die anderen schlichen sich wie Pennäler mit glucksendem Lachen aus dem Besprechungsraum. Dr. Möbius’ Anmerkung, bei der Polizei gehe es ja recht lustig zu, quittierte Kluftinger verlegen mit der Bemerkung, dass ein gutes Betriebsklima sich vorteilhaft auf die Arbeit auswirke.
    »Schon recht so, Herr Kluftinger. Und die Nummer lasse ich Ihnen gleich raussuchen«, erwiderte der Staatsanwalt und beendete das Gespräch.
    Nach diesem Telefonat machte sich Kluftinger auf den Heimweg. Der Tag war anstrengend genug gewesen und das unreife Verhalten der Kollegen, bei denen er sich mit strenger Miene noch erkundigte, ob sie im Kindergarten nicht besser aufgehoben wären, hatte ihm den Rest gegeben. Als er schließlich im Auto saß, musste er bei dem Gedanken an seinen Ausspruch »Eine Nummer besorgen« allerdings selbst ein wenig grinsen.

O heimlich Weh halt dich bereit!
    Bald nimmt man dir dein Trostgeschmeid,
    Das duftende Sehnen
    Der Kelche voll Tränen,
    Das hoffende Ranken
    Der kranken Gedanken
    Muß in den Erntekranz hinein,
    Hüte dich schöns Blümelein!

»Meine Herren, ich bitte Sie, zügig zu beginnen, ich bin in Eile!«
    Mit diesem Satz betrat der Richter Kluftingers Büro. In den Augen des Kommissars allerdings war es weniger ein Betreten denn ein Erscheinen. Sein Auftritt nötigte allen Anwesenden sofort Respekt ab. Hätte sie das grußlose Eintreten bei anderen sicher pikiert, nahmen sie dem Richter gegenüber geradezu Haltung an.
    »Maier«, preschte der erste von ihnen vor, streckte seine Hand aus und neigte devot den Kopf. Als der Richter die dargebotene Hand schüttelte, hatte er seinen Blick bereits abgewandt und schaute nun Hefele an, der sich ebenfalls beeilte, ihm die Hand zum Gruß entgegen zu strecken.
    »Hefele, grüß Gott.«
    Der Richter nannte seinen Namen nicht; er schien davon auszugehen, dass er den Anwesenden bekannt war. Zu Recht, denn obwohl Dr. Günter Hartmann inzwischen im Ruhestand war, waren Stationen seiner Karriere in Erzählungen unter den Kollegen noch immer präsent. Und wie zu seinen aktiven Zeiten wurde er in diesen Erzählungen nach wie vor bei seinem Spitznamen genannt: Scharfrichter Hartmann. Das war freilich übertrieben, und, wie bei solchen Spitznamen üblich, wusste keiner mehr, wer ihn aufgebracht hatte. Aber ein Körnchen Wahrheit lag schon darin. Denn Hartmann hatte sich besonders dadurch einen Ruf erworben, dass er mit seinen Strafen das gesetzlich zulässige Höchstmaß des Öfteren voll ausgeschöpft hatte – eine Tatsache, wegen der ihn die Angeklagten und deren Anwälte gefürchtet hatten, während die Polizisten ihn nach wie vor dafür schätzten. Zu oft hatten sich die Beamten bei laxeren Richtern um die Früchte ihrer mühevollen kriminalistischen Recherchearbeit gebracht gefühlt.
    Bei Hartmann war das anders gewesen und vielleicht war der Respekt vor ihm auch deswegen so groß.
    Es kann aber auch an seinem Äußeren gelegen haben, dachte sich Kluftinger, als er ihm die Hand gab und ebenfalls tiefer als eigentlich nötig den Kopf beugte.
    »Kluftinger«, sagte der Kommissar, obwohl er schon mehrmals mit dem Richter zusammengetroffen war, wenn er als Zeuge in diversen Prozessen hatte aussagen müssen. Denn nur zu solchen Anlässen nahm er den Weg in den Gerichtssaal auf sich. Während andere Kollegen schon mal einer Verhandlung beiwohnten, an deren Gegenstand sie in irgendeiner Weise beteiligt gewesen waren, war für den Kommissar die Sache mit dem Abschluss der Ermittlungen definitiv zu Ende und er registrierte meist nicht einmal mehr das Strafmaß, das in dem jeweiligen Fall verhängt wurde.
    »Ich weiß«, war die Antwort des Richters auf Kluftingers Vorstellung. Und auch, wenn das nicht den kniggeschen Höflichkeitsformen entsprach, empfand es Kluftinger doch geradezu als Auszeichnung, dass sich sein Gegenüber offenbar an seinen Namen erinnerte.
    »Bitte«, sagte Kluftinger und wies auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. In aller Ruhe legte der Richter sich daraufhin seinen schwarzen Mantel über

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