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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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für die gerade gegangene Person meist wenig schmeichelhafte Nachbesprechung zu beginnen. Es war auch gar nicht nötig, denn Hefele fasste in einem Wort, das auf einen langen Seufzer folgte, die Gedanken der Anwesenden zusammen. Er verdrehte die Augen und sagte: »Richter!«
    ***
    Kurz darauf kannten Kluftinger und seine Kollegen aus den Gerichtsakten den Namen des Mannes, der durch seinen Ausspruch am Ende der Gerichtsverhandlung für Aufsehen gesorgt hatte: »Heinz Brentano, damals wohnhaft in Buchenberg bei seiner Mutter, Metzgergeselle, geschieden, keine Kinder. Mittlerweile wohnt er allein am Bühl in Kempten in einem der Hochhäuser dort. Er hat kein Telefon, zumindest steht er nicht im Telefonbuch. Er war damals am Kemptener Schlachthof beschäftigt. Wo er jetzt arbeitet, kann ich dir nicht sagen«, fasste Strobl die Erkenntnisse, die aus den Akten herauszulesen waren, zusammen. Eugen hatte wie immer schnell und zuverlässig gearbeitet, fand Kluftinger. Er war eindeutig ein Kandidat für die Beförderungsliste.
    ***
    »Ja Mahlzeit!«, raunte Kluftinger, als er und Richard Maier in den Hof des Schlachthofes einbogen. Der Grund dafür war ein kleiner grauer LKW, aus dessen offener Ladefläche mehrere Kuhgerippe ragten.
    »Jetzt geht’s nach Kraftisried, zum Suppe kochen«, merkte Maier an. Dort befand sich eine große Tierkörperbeseitigungsanlage, von der man gern im Scherz behauptete, man stelle dort aus Kadavern und Schlachtabfällen Fertigprodukte für die Küche her.
    »Kluftinger, Kripo Kempten, grüß Gott.«
    Die etwa sechzigjährige, für das profane Ambiente ein wenig zu schick gekleidete Dame, die in einem als Empfang dienenden, ziemlich in die Jahre gekommenen Glaskasten saß, nahm Haltung an. Offenbar gehörte sie zu jener Generation, die gegenüber der Autorität der Staatsgewalt noch nicht immun war. Hinter ihr hing ein verblasstes Schild mit der Aufschrift »Cambofleisch GmbH«.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie, indem sie sich in ihrem Stuhl aufrichtete und sich flüchtig durchs Haar streifte.
    »Wir bräuchten eine Auskunft über einen Ihrer Mitarbeiter.«
    »Natürlich. Kein Problem. Ich rufe jemanden von der Personalabteilung. Einen Moment.« Die Empfangsdame schob die Glasscheibe zu, während sie eine Nummer wählte. Als sich Kluftinger noch darüber wunderte, dass die Frau gar nicht gefragt hatte, um wen es sich denn handle, bog bereits eine attraktive, schwarzhaarige Dame im Businesskostüm um die Ecke, die sich als Frau Aigler vorstellte, um die beiden Polizisten abzuholen.
    Sie erfuhren, dass Heinz Brentano noch immer bei der »Zerteilkolonne« arbeite, im Akkord. »Ich bringe Sie hin. Sie wollen ihn sprechen, nehme ich an. Dürfte ich Sie aber noch fragen, worum es sich dreht?«
    »Wir möchten uns nur ganz unverbindlich mit Ihrem Mitarbeiter unterhalten. Routinearbeit.«
    Dann wurden sie von Frau Aigler, die sich widerwillig mit der kargen Auskunft zufrieden gegeben hatte, über den Hof des Unternehmens zu einer großen Halle geführt. Dort standen zwischen LKWs, auf denen Rinder und Schweine angeliefert wurden, auch einige Kühltransporter von Metzgern; zwei Traktoren mit Viehanhängern rangierten gerade an eine Rampe. Als sie durch eine Tür die große Halle betraten, versuchten einige Männer verzweifelt, eine widerspenstige Kuh an einem Strick ihrer Verwertung zuzuführen. Kluftinger wandte sich ab. Er war ein leidenschaftlicher Fleischesser, aber in so drastischer Art die Herkunft der Produkte auf seinem Teller vor Augen geführt zu bekommen, war nicht nach seinem Geschmack.
    Sie kamen in einen Vorraum, in dem sie Überschuhe anziehen und eine Plastikhaube aufsetzen mussten – Hygienevorschriften, die Kluftinger bereits aus einem Milchwerk kannte, in dem er vor einiger Zeit beruflich zu tun gehabt hatte. So ausgerüstet betraten sie eine riesige Fabrikhalle, in der höchstens fünf oder sechs Grad herrschten.
    Was Kluftinger beim Eintreten sofort auffiel, war der strenge Geruch: Es roch nach Blut und rohem Fleisch. Hier in der Schlachterei zu arbeiten wäre eine Horrorvorstellung für Kluftinger gewesen.
    Der Boden war klatschnass und wurde regelmäßig von einem Arbeiter abgespritzt, der wie alle hier mit weißen Gummistiefeln und einer dicken Gummischürze bekleidet war. Zudem herrschte ein ohrenbetäubender Lärm. Ein tiefes Brummen, wohl von den großen Förderbändern, bildete die Grundmelodie, darüber legten sich laute Rufe der Arbeiter, metallisches Klopfen,

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