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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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machte. Fünfzig Plätze, von denen weit über die Hälfte belegt waren – der Kommissar kam sich vor wie heute im Schlachthof bei den Rinderhälften. Das Ambiente allerdings war exquisit: Ein steinerner Ofen beheizte den mit viel Holz ausgestatteten Raum. Besonders die aus schweren Stämmen zusammengezimmerte Decke hatte es dem Kommissar angetan. Wehmütig dachte er, was für eine schöne Skihütte das hätte abgeben können.
    Da Kluftinger nicht sicher war, welches Verhalten die Sauna-Etikette vorschrieb, richtete er seinen Blick beim Durchschreiten des Raumes stur nach unten und zählte die Holzlatten auf dem Boden. Bei Nummer siebenundvierzig blieb er stehen und sie setzten sich pärchenweise gegenüber. Der Doktor lehnte sich sofort zufrieden zurück, stützte die Ellenbogen auf und spreizte die Beine. Kluftinger begann mehr zu schwitzen, als es die Temperatur verlangt hätte. Sein Nacken versteifte sich und er konzentrierte sich darauf, dem Doktor auf jeden Fall nur ins Gesicht zu schauen.
    Nur ins Gesicht, wiederholte er in Gedanken immer wieder. Dabei wurde sein Blick so stier, dass Langhammer ihn besorgt musterte: »Alles in Ordnung? So eine Sauna ist nicht für jeden Kreislauf geeignet.«

    Obwohl es Kluftinger unerträglich heiß war und ihm der Schweiß in Bächen über die Stirn rann, sagte er: »Ja ja, ganz angenehm. Wenigstens nicht so heiß.« Den Doktor würde er hier allemal aussitzen. Und wenn er als Schrumpfkopf wieder herauskommen sollte.
    Seine Stimme allerdings klang unnatürlich hoch, was daran lag, dass sein ganzer Körper angespannt war. Es gab keinen Fleck, an dem sein Blick hätte Halt finden können, ohne ungebührlich auf dem entblößten Körperteil eines Fremden zu ruhen. Sein Nacken schmerzte bereits. Er neigte seinen Kopf etwas und massierte ihn mit der Hand, da passierte es. Für den Bruchteil einer Sekunde streifte sein Blick über das Körperteil des Doktors, das er so offenherzig seiner Umwelt präsentierte und das Kluftinger so verzweifelt versucht hatte zu übersehen. Wie ein Blitz fuhr es durch seinen Körper, er riss seinen Kopf nach links, um kurz an Annegrets Oberweite hängen zu bleiben. Das Blut pochte in seinen Schläfen und für einen kurzen Moment wurde ihm tatsächlich schwindlig. In seiner Verzweiflung sah er keinen anderen Ausweg als die Arme auf seine Schenkel zu stützen und sein Gesicht in den Händen zu vergraben.
    Jetzt begann sich auch seine Frau Sorgen zu machen.
    »Geht’s dir nicht gut?«, fragte sie.
    »Ich … ich glaub, ich geh lieber raus«, sagte er und die anderen nickten zustimmend.
    »Wir treffen uns dann im Bistro, ja?«
    Gerade als er dachte, er hätte das Schlimmste überstanden und nun endlich einen Ausweg aus der Situation gefunden, öffnete sich die Türe.
    Was nun passierte, spielte sich in nur wenigen Sekunden ab, aber Kluftinger kam es vor, als stehe er neben sich und betrachte alles in Zeitlupe. Gleichzeitig mit dem Öffnen der Tür erhob er sich von seinem Platz, wobei sich sein Handtuch im Zwischenraum zweier Holzlatten verfing und hängen blieb. Er merkte es nicht sofort und stand auf, den Blick auf die Gestalt im Türrahmen gerichtet, die ihm irgendwie bekannt vorkam, die er in dem schummrigen Licht der Hütte aber nicht sofort erkannte. Dennoch registrierte er, dass sie auf ihn zukam. Als sie vor ihm stand, hatte er sich ganz aufgerichtet und sein Handtuch glitt hinter ihm zurück auf die Saunabank. Gleichzeitig streckte die Gestalt vor ihm die Hand zum Gruß aus und er erkannte den Mann, dem sie gehörte: Es war Dr. Dieter Möbius, der Staatsanwalt.
    Der homosexuelle Staatsanwalt, schoss es ihm durch den Kopf.
    Und er stand nun völlig entblößt vor ihm. Wenn das die Kollegen erfahren würden, er würde … er müsste … er musste raus! Irritiert schlug er in die Hand des Staatsanwalts ein, während er mit der anderen sein Handtuch packte und es sich vor die Brust hielt, als wolle er sich den Schweiß abtupfen. Dann lief er auf den Ausgang zu, sah nur noch Brüste und baumelnde Geschlechtsteile, riss die Tür auf und warf sie hinter sich ins Schloss. Die kalte Luft, die ihn hier draußen – die Hütte stand etwa zwanzig Meter vom eigentlichen Hallenbad entfernt – empfing, wirkte wie eine Ohrfeige. Sofort war er wieder klar im Kopf. In die Sauna wollte er nicht mehr zurück und so schlug er den Weg ins Bistro ein.
    Als er den ersten Schluck Pils getrunken hatte, begann er sich sogar ein bisschen wohl zu fühlen. Das

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