Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
Vom Netzwerk:
nach ihm in die Toilette gegangen wäre und sich möglicherweise über strengen Geruch oder einen nicht heruntergeklappten Klodeckel mokiert hätte.
    Langsam drehte sich Kluftinger um, schlug seine Decke wie in Zeitlupe zurück und setzte sich fast lautlos auf. Nicht, dass er aus bloßer Rücksicht auf Erika auf keinen Fall ihren Schlaf stören wollte: Vielmehr genoss er die Minuten, in denen er morgens ganz allein war und seine Frau noch schlummerte. Er liebte sie, auch wenn er ihr das vermutlich schon viel zu lange nicht mehr gesagt hatte, weil er über »so was« nicht gern redete. Aber die morgendliche Stille genoss er am liebsten allein.
    Er hoffte inständig, dass auch seine Gastgeber noch in ihren Betten lagen und schliefen. Seine Hoffnung schien sich zu erfüllen, alles war ruhig, als er ins Bad ging. Nachdem er Zähne geputzt und das mit einem Porzellandeckel versehene Gästepissoir benutzt hatte, bei dem er aber geradezu aus Trotz den Deckel offen ließ, zog er sich den Frotteemorgenmantel über, den Erika in weiser Voraussicht am Abend mit den Kulturtaschen ins Bad gelegt hatte, und machte sich auf den Weg in die Langhammer’sche Küche. Sie schliefen noch, Gott sei Dank. Er sah aus dem Fenster ins Zwielicht des anbrechenden Tages. Hinter dem Küchenfenster begann eine Wiese, die noch unbebaut war, was in diesem Neubaugebiet aber nicht mehr lange so bleiben würde. Es schmerzte Kluftinger manchmal ein bisschen, wenn er in diese Siedlungen kam, die eigentlich nichts mehr mit seinem Heimatort zu tun hatten. Er kannte weder die Namen der Straßen noch die der Menschen, die in ihnen wohnten. Manchmal beschlich ihn das wehmütige Gefühl, dass sie ihm »sein« Altusried wegnahmen. Immerhin waren das einmal alles Wiesen gewesen, auf denen er als Kind mit seinen Freunden gespielt hatte.
    Der Anblick dreier Krähen und einer Elster auf der Wiese vor ihm beendete seine nostalgische Stimmung. Sofort war Kluftinger in Gedanken wieder bei seinem Fall. Er verfluchte die Vögel, die dem jungen Morgen seine Unschuld genommen hatten. Der Kommissar blickte sich um: Irgendwie hatte er Hemmungen, sich hier in einer fremden Küche selbst zu bedienen und die Schränke zu öffnen. Die Küche war beherrscht von mattem Edelstahl, mit dem alle Fronten der Einrichtung verkleidet waren. In der Mitte des Raumes befanden sich der Backofen und drei Kochfelder: Elektroherd, Gasfeld und sogar eine eigene Kochstelle, auf der ein riesiger schwarzer Wok stand. Und nirgends lag etwas herum. Kluftinger wunderte sich, wo wohl Langhammers ihre wichtigen Zettel lagerten, die er und Erika in einem Körbchen neben dem Kühlschrank aufbewahrten. Dinge wie Lohnsteuerkarten für das kommende Jahr, Sterbebildchen, Telefonnummern des Kundendienstes der Waschmaschine und Ansichtskarten mussten ja irgendwo archiviert werden. Aber hier: wie aus dem Katalog. Er hatte Hemmungen, in dieser sterilen Umgebung etwas anzufassen.
    Aber sein Verlangen nach einer Tasse Kaffee, verbunden mit dem Duft, der dann den Raum erfüllte und der anzeigte, dass ein neuer Tag begann, war größer. Allerdings hatten Langhammers offenbar keine »richtige« Kaffeemaschine. Alles, was er sah, war einer dieser Vollautomaten, denen Erika jedes Mal, wenn sie beim Elektrodiscounter waren, sehnsuchtsvolle Blicke zuwarf. Kluftinger rechnete ihr dann immer vor, wie teuer eine einzige Tasse käme, würde man den Preis von rund vierhundert Euro umlegen. Und dafür würde man nicht einmal echten Kaffee, sondern nur Espresso bekommen. Den man aus Tassen trinken musste, die so klein waren, dass sie aussahen, als wären sie beim Spülen eingelaufen.
    Aber Kluftinger wollte Kaffee. Jetzt. Ob Langhammers vielleicht ein bisschen Pulver hätten? Ein Wasserkocher stand ja auf der Arbeitsplatte.
    Er öffnete einen Hängeschrank über der Spüle. Darin fanden sich aber nur diverse Tupperdosen mit verschiedenfarbigen Körnern und Flocken. Nachdem Kluftinger zwei weitere Fächer geöffnet hatte, wobei er einmal nur auf italienische Nudeln, dann auf schätzungsweise dreißig verschiedene Teesorten und die dazugehörigen Glastassen und Filter gestoßen war, gab er auf. Kein Kaffee also, bis Langhammers aufgestanden waren. Vielleicht würde er als kleinen Ersatz wenigstens auf ein Rädle Wurst stoßen, hoffte er, und öffnete den Kühlschrank.
    Ein bisschen fühlte er sich wie ein Einbrecher, als er die schwere Tür des auf Fünfzigerjahre getrimmten Geräts öffnete. Er schüttelte den Kopf. Priml. Im

Weitere Kostenlose Bücher