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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Prinzip hatte er es ja erwartet: Kein Gramm Wurst lag in den akribisch geordneten Fächern. Stattdessen standen in der obersten Etage eine Menge kleiner Joghurtfläschchen, die nicht etwa »Erdbeere« oder »Banane« hießen, sondern mit dem kryptischen Kürzel »LC1!« versehen waren. Darunter befand sich, geschützt unter einer Glas-Glocke, eine Lage Käse. Saftflaschen lagen in der untersten Reihe und aus dem Gemüsefach schaute eine Menge Grünzeug heraus. Mit bitterer Miene schloss Kluftinger die Tür und ging gesenkten Hauptes ins Bad.
    Nach seiner selbst im fremden Bad wie gewohnt ablaufenden Morgentoilette – wenn man davon absah, dass er das Duschhandtuch erst gefunden hatte, nachdem er sich aus Mangel an anderen Hilfsmitteln mit fünf Waschlappen abgetrocknet hatte – holte er sich aus dem Gästezimmer einige Kleidungsstücke. Ganz langsam und leise öffnete er den Schrank, denn Erika schlief noch immer. Als er alles zusammen hatte, versetzte er beim Zurückschleichen der Schranktür aus Versehen einen Stoß, so dass diese mit Krachen an die Wand stieß. Kluftingers erster Blick ging zu Erika.
    »Ahhh, mein altes Trampeltier!«, sagte sie gähnend. Kluftinger musste sich eingestehen, dass seine Zeitlupen-Gräuschlos-Aktion umsonst gewesen war. Ohne sich anzuziehen, machte er sich im Morgenmantel abermals auf den Weg in die Küche. Er brauchte jetzt wirklich seinen Kaffee und er war sogar bereit, es dafür mit der Espressomaschine aufzunehmen.
    Nachdem er sie lange betrachtet hatte, drückte er auf den größten, roten Knopf an der Maschine, von dem er vermutete, dass es sich dabei um den Einschalter handelte. Er zuckte ein wenig zusammen, als sich knackend und mahlend die Maschine in Gang setzte. Als nichts auseinander fiel und auch nirgendwo Flammen aus dem Gerät schlugen, entspannte er sich. Doch seine Gelassenheit schwand, als schon nach wenigen Sekunden Zischen und Knurren braune Flüssigkeit aus den Düsen strömte. Fieberhaft machte er sich auf die Suche nach einer Tasse, riss Schranktüren auf, blickte in Schubladen und schob schließlich einfach ein Glas unter die Düse. Etwa vier Sekunden später versiegte der Strom, das meiste hatte sich bereits aufs Büffet ergossen. »Kruzifix«, schimpfte er, schnappte sich einen Lappen aus der Spüle und begann, die dunkelbraune Pfütze aufzuwischen. Im selben Moment wurde von außen ein Schlüssel ins Haustürschloss gesteckt. Eine Sekunde später erkannte er durch den Türspalt die Glatze des Doktors. Kluftingers Wangen begannen zu leuchten. Er kam sich vor wie ein Kind, das beim heimlichen Naschen erwischt wird. Er hatte gerade noch Zeit, mit dem Lappen zwei-, dreimal über die Arbeitsplatte zu wischen, ihn in die Spüle zu werfen und sich zu fragen, wo der Doktor so früh überhaupt herkam, da stand bereits ein verschwitzter, breit grinsender Langhammer im Türrahmen. Er trug eine hautenge, blau-glänzende Sporthose, weiße Turnschuhe und einen neongelben Blouson.
    »Na, schon wieder im Dienst, mein Lieber? Gut so, der frühe Vogel fängt den Wurm, was?«
    Mein Lieber … Kluftinger verzog das Gesicht, hielt sich mit einer entsprechenden Antwort aber zunächst zurück. Schließlich war er ja hier zu Gast und außerdem fühlte er sich irgendwie unsicher, hier im Morgenmantel in Langhammers Küche. »Ja, ja, genau, Morgen, Herr Langhammer. Waren Sie schon beim Dauerlauf heut früh?«
    »Wie jeden Morgen, egal, ob es stürmt oder schneit. Kluftinger, mein Lieber, das sollten Sie auch machen. Nicht nur wegen der Figur!« Langhammer lachte kurz auf und warf einen Blick auf Kluftingers Bauch. »Allein fürs Herz ist das irrsinnig gesund. Und für mich ist es ein Jungbrunnen, wie eine Frischzellenkur, wissen Sie? Da ist der Tag gleich dein Freund!«
    »Alles klar«, versetzte der Kommissar kurz, und als er merkte, dass das etwas unfreundlich geklungen hatte, fügte er ein »Ich mein, das ist mir schon klar, ja, ja. Sicher gesund!« hinzu.
    »So, und jetzt machen wir unseren Damen mal ein richtig gesundes Fitness-Frühstück, was? Wir trinken morgens nur Rooibuschtee, Vitamin C satt und kein Koffein. Aber wenn Sie einen Kaffee mögen, machen Sie sich einfach einen. Die Maschine ist sozusagen allzeit bereit für Sie. Mi máquina, su máquina, wie der Spanier sagt!«
    Kluftinger kochte. Er wusste weder, was Rooibuschtee war, noch, was der ausländische Satz bedeutete, den der Doktor gerade geträllert hatte. Am meisten ärgerte er sich aber darüber, dass

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