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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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der ihm innerhalb einer Minute das Gefühl geben konnte, ein ungebildeter Trampel zu sein.
    »Ich hatte schon einen, danke«, erwiderte Kluftinger kleinlaut.
    »Ach, wissen Sie was, mein Freund, holen Sie mal Ihre Holde und ich mache das Frühstück. Sie wollen sich sicher auch erst mal anziehen.«
    Erleichtert über die Fluchtmöglichkeit, die ihm der Doktor bot, verließ er mit großen Schritten die Küche.
    Als das Ehepaar Kluftinger sie zehn Minuten später wieder betrat, stellte Langhammer gerade eine Tasse Kaffee auf den Tisch. Wenigstens etwas.
    Was Kluftinger dann aber sah, ließ sein Stimmungsbarometer gleich wieder sinken. Auf der Tafel befand sich nichts außer Obst und einer Menge Tupperdosen, die Kluftinger als die wiedererkannte, die er vorher im Hängeschrank entdeckt hatte. Ihm schwante Böses.
    »Erika, einen wunderschönen guten Morgen. So früh und schon wie aus dem Ei gepellt! Da geht doch gleich die Sonne auf«, empfing Langhammer seine Gäste.
    Das auch noch, dachte sich Kluftinger. Morgens schon gut gelaunt und charmant. Zwei weitere Gründe, den Doktor unsympathisch zu finden.
    Kaum hatten sich alle gesetzt, wurde Kluftinger ungefragt eine große Schüssel mit allerlei Körnern und klein geschnittenem Obst gereicht. Zu jeder Sorte Körner hatte der Doktor einen Kommentar parat und erklärte darüber hinaus die getrockneten Aprikosen am Tisch sogar zur reinsten »Powernahrung«.
    Doch es kam noch schlimmer. Gerade als Kluftinger das Milchkännchen griff und über seinen Kaffee hielt, schnappte sich der Doktor ebenfalls die Milchpackung und goss damit die Müslischalen auf. Kluftingers Bewegung gefror, als Langhammer beiläufig erwähnte, dass es sich dabei um Sojamilch handelte. Innerlich rief er sich selbst Durchhalteparolen zu. Selten hatte er sich so auf seine Arbeit gefreut.
    Auf alles gefasst tauchte er schließlich seinen Löffel in die Masse vor sich, die inzwischen eine breiige Konsistenz angenommen hatte, führte ihn zum Mund, lächelte, als er merkte, dass der Doktor ihn beobachtete, und schob ihn sich zwischen die Lippen. Es war schlimmer als erwartet. Die Körner, die von den Zähnen zermahlen wurden, fühlten sich an wie Sägemehl. Schnell schlucken das Zeug, dachte sich Kluftinger, aber mit jedem Kauvorgang schien der Brei in seinem Mund mehr zu werden. Er wollte das Ganze mit einem Schluck Kaffee hinunterspülen, erinnerte sich aber, dass er in die Tasse diesen synthetischen Milchersatz gekippt hatte. Er bekam einen knallroten Kopf. Er konnte die Schüssel unmöglich auslöffeln, das war ihm klar. Sein Magen knurrte, aber es ging einfach nicht. Es half nichts: Er nahm einen kräftigen Schluck Kaffee und führte die restlichen Körner ungekaut seinem Verdauungstrakt zu. Wider Erwarten schmeckte der Kaffee ganz exzellent. Besser als Filterkaffee. Kluftinger schob das auf den Kontrast zum mehligen Geschmack des Müslis.
    Er blickte auf seine Schüssel. Immer noch stand sie fast bis zum Rand gefüllt vor ihm, die Körner schienen ihn aus ihrem Sojabad grau-bräunlich anzuglotzen. Er bekam eine Gänsehaut. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg.
    Auf einmal sprang er auf und eilte mit den Worten »Mein Handy« aus dem Zimmer. Erika runzelte die Stirn. Sie hatte nichts gehört.
    »Hat er’s streng, dein Mann, hm? Gibt’s einen neuen wichtigen Fall?«, fragte Annegret, Erika hielt sich aber zurück und sagte nur: »Du, ich weiß gar nicht so recht.«
    Aus dem Hausgang war inzwischen deutlich Kluftingers Stimme zu vernehmen. Offenbar telefonierte er mit seiner Sekretärin. Zum Frühstückstisch drangen Wortfetzen wie »Ja, das ist schon dringend, Frau Henske« und »Hmmm, gute Frage« und »Auf jeden Fall, unbedingt«. Kluftinger sprach laut, lauter als es normalerweise bei Telefongesprächen der Fall war. Noch bevor sich Erika darüber wundern konnte, läutete das Langhammer’sche Telefon. Der Doktor, der sein Mobilteil immer am Gürtel bei sich trug – schließlich erreichten ihn ab und zu medizinische Notrufe – nahm den Anruf an, hielt nach zehn Sekunden die Hand vor die Sprechmuschel und sagte: »Erika, das ist für deinen Mann. Sein Büro. Eine Frau Henske.« Erika verstand nicht. »Aber ich dachte … «, begann sie, brach den Satz aber ab, griff sich das Telefon und sagte schnell »Ich bring’s ihm«.
    Langhammer stand auf, nahm den Hörer wieder an sich und erwiderte: »Bleib du mal schön sitzen, ich mach das schon.« Er ging in den Hausgang und stellte sich neben

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