Erntedank
»Auch das habe ich recherchiert. Also, er hat zunächst Versicherungskaufmann gelernt und war dann bei einer italienischen Versicherung in München angestellt. Dort hat er wohl einigermaßen flott Karriere gemacht, zumindest war er schon nach einigen Jahren Leiter einer Abteilung. Er muss ziemlich ehrgeizig gewesen sein. Sein Pech war nur, dass Mitte der achtziger Jahre die Firma ihre Niederlassung in Deutschland dichtgemacht hat und Sutter betriebsbedingt gekündigt wurde.«
Lodenbacher schaltete sich in Sutters Erklärungen ein: »Oba er hot nocha doch glei wieda a Stoih gfundn – do wo er Obteilungsleita war.«
Kluftinger schoss durch den Kopf, dass das nicht zwingend der Fall gewesen sein musste, denn Führungspositionen sprachen seiner Meinung nach nicht zwangsläufig für Kompetenz. Ein kurzes Grinsen huschte über das Gesicht des Kommissars, als er Lodenbacher ansah, dann hörte er Maier sagen: »Eben nicht, Herr Kriminaldirektor, eben nicht. Scheinbar hatte er Probleme, irgendwo unterzukommen. Er war zunächst als freier Versicherungsvertreter unterwegs, aber nur ein knappes Jahr, die Sache lief wohl mehr schlecht als recht. Dann war er Anlageberater, da gab es auch Meinungsverschiedenheiten mit seinem damaligen Kompagnon und er stieg aus der Firma aus. Trotzdem hatte er zunächst finanziell nicht allzu große Probleme, komischerweise eigentlich.«
An dieser Stelle hakte Kluftinger ein. »Wie kam er denn zu diesem Geld?«
»Na ja, er nahm immer wieder Vertreterjobs an. Irgendwann verkaufte er Traktoren für einen italienischen Hersteller, dann vertrieb er Zimmerbrunnen. Er hatte damit sogar einen Stand auf der Festwoche. Ich weiß noch, das war im Zelt bei der Sparkasse, gleich am … «
»Maier … «, unterbrach Kluftinger den Kollegen in einem Ton, der ihn dazu ermahnte, zur Sache zurückzukehren.
»Schon gut, ja. Und in der Zeit baute er offenbar Kontakte zu dieser ›Kaffeefahrten-Mafia‹ auf.«
Maier schien mächtig stolz auf diesen Begriff, und Kluftinger nahm bedauernd zur Kenntnis, dass sein Kollege Lodenbachers Rüffel überraschend gut verdaut hatte und allmählich wieder in Fahrt kam.
»Sutter hat dann jedenfalls vor sieben Jahren die Firma ›Steinbock-Reisen‹ gegründet und diese Ausflugsfahrten veranstaltet. Die gingen manchmal über mehrere Tage, meistens waren es aber Tagesausflüge in alle Himmelsrichtungen. Zuerst lud Sutter dazu externe Präsentatoren ein, die irgendwelche nutzlosen Dinge anboten, dann versuchte er seine eigenen Gesundheitsartikel an den Mann zu bringen. Finanziell stand Sutter dann da wie eine Eins.«
Kluftinger fragte in die Runde, ob die anderen noch Fragen hätten. Die Einzige, die sich zu Wort meldete, war Sandy Henske, die stets ein kurzes Protokoll des »Jour fixe« verfassen musste.
»Also, vielleicht bin ich die einzige hier, die das nicht weiß, aber warum heißen solche Fahrten denn eigentlich ›Kaffeefahrten‹?«, fragte die Dresdnerin in ihrer offenen, etwas naiven Art, die Kluftinger wegen einer unbestreitbaren Originalität mehr und mehr zu schätzen wusste.
Die Kollegen grinsten sich an und Lodenbacher lachte in sich hinein. Kluftinger holte Luft und wollte gerade zur Antwort ansetzen, da hielt er mit geöffnetem Mund inne: Er hatte keine Ahnung. Den Begriff Kaffeefahrt hatte er noch nie hinterfragt. Da aber Lodenbacher die in Kluftingers Augen nun mehr als berechtigte Frage der Schreibkraft offenbar sehr amüsant fand, beschloss er, ihm die Antwort zu überlassen.
»Wenn Sie unserer lieben Frau Henske das erklären wollen?«, sagte er deshalb.
Sofort verschwand das Lächeln aus Lodenbachers Gesicht und er wurde blass.
»I … oiso, I moan … «, druckste er herum, winkte dann aber ab und schnaubte: »Dös is doch jetzt wurscht. Schaugn ma, dass ma featig wearn. Dös is füas Protokoi überhaupts ned wichtig.«
Kluftinger nickte und freute sich ein bisschen, dass nun nicht Sandy, sondern der Chef als Depp dastand. Auch wenn er dafür sicher bald würde büßen müssen. Und tatsächlich ließ die Retourkutsche nicht lange auf sich warten.
Als Kluftinger nämlich zur Präsentation der Rechercheergebnisse zu Sutters privatem Umfeld überleitete, wurde er von Lodenbacher unterbrochen. Zu den Ermittlungen in Bezug auf Sutters Firmen habe er noch etwas anzumerken. Kluftinger wusste sofort, worum es ging: Sutters Mitarbeiterin hatte angerufen und den Leiter der Polizeidirektion Kempten verlangt, um zu fragen, ob es mit der
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