Erntedank
Verhältnisses zu Lehn- und Fremdwörtern durchaus goutierte. Immerhin nichts Englisches und für französische Begriffe gab es ja in Bayern eine gewisse, historisch begründete Tradition. Man sagte etwa auch Portemonnaie und Trottoir, warum also nicht »Jour fixe«, selbst wenn Lodenbacher diese Bezeichnung eingeführt hatte. Vielleicht würde sie ja auch irgendwann »Teambriefing« oder »Crewinformation« heißen. Und schließlich gab es für die täglichen morgendlichen Besprechungen der Abteilungen ja noch einen deutschen Namen: »Morgenlage«.
Lodenbacher eröffnete die Besprechung im großen Konferenzsaal mit einer kleinen »Presseschau«, die er mit besorgter Miene und mit fast vorwurfsvollem Ton vortrug. Es war also bereits so weit: Einige Zeitungen hatten die dpa-Meldung schon gedruckt. Kluftinger wusste genau, was Lodenbacher seinen Mitarbeitern auf den Weg geben würde, und hörte nur mit einem Ohr zu, als Lodenbacher im niederbayerischen Idiom Dinge sagte wie »nationole Aufmerksamkeit« oder »gwoitiger Zugzwang« oder »bis ins Ministerjum ganga«. Der Kommissar nickte dennoch bedeutungsschwer und versicherte anschließend seinem Vorgesetzten, man werde pflichtbewusst seine Arbeit tun, schließlich mache man das immer.
Kluftinger gab zunächst seine letzten Untersuchungsergebnisse bekannt und verkündete, dass man bei den Sensen wohl nicht recht weiter kommen würde. Zu viele Geschäfte böten diese an. Er erzählte noch, dass es sich beim gesuchten Gerät um die qualitativ hochwertigsten handele.
»Ma soit ned moana, doss heid überhaupt no oana a Sensn kaffd«, brummte der Kriminaldirektor und vergaß nicht hinzuzufügen »oba do siegd ma hoid, doss ma do in da Provinz san.«
Kluftinger reagierte nicht und erinnerte sich für einen Augenblick an eine Fortbildungsveranstaltung in einem Schlossgut zwischen Vilsbiburg und Hauzenberg, Lodenbachers Heimatort. Er hatte damals schreckliches Halsweh gehabt und zwanzig Kilometer nach Landshut in die nächste Apotheke fahren müssen. So viel zum Thema Provinz.
Dann war es Zeit, das Wort an Maier zu übergeben, der mit den Ermittlungen zu Sutters Unternehmen betraut worden war. Mit zittrigen Händen ordnete er einen Stapel Papier, der vor ihm auf dem Tisch lag. Obwohl diese Besprechungen zur absoluten Routine gehörten, war Maier jedes Mal aufgeregt, wenn er vor der Gruppe etwas vortragen musste. Kluftinger empfand es als eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Maier, der ihn sonst zu den unpassendsten Gelegenheiten mit seiner Geschwätzigkeit nervte, bei solchen Auftritten selbst Nerven zeigte. Manchmal tat er ihm fast leid, wenn er mitbekam, wie sein Mund immer trockener wurde, seine Stimme brüchiger und seine Bewegungen fahriger. Schlimm wurde es immer dann, wenn Lodenbacher eine Zwischenfrage stellte. Dann haspelte Maier sich, vom Chef mit strengem Blick bedacht, durch die Antwort. Doch Kluftingers Mitleid hielt sich in Grenzen; meist schaltete sich rechtzeitig die Erinnerung an irgendeine besonders unpassende Bemerkung seines Kollegen dazwischen.
Aus den Geschäftunterlagen sei zu entnehmen gewesen, begann Maier seinen Vortrag, dass die Firma »Steinbock Touristik« wie auch ihr Tochterunternehmen »Resona« zwei gesunde, florierende Unternehmen gewesen waren. Beide Firmen wiesen akzeptable Gewinne aus, obwohl sich Sutter sehr komfortable Chefgehälter genehmigte. Maier wollte das auf Lodenbachers Wunsch hin mit Zahlen belegen, fand aber beim hektischen Durchstöbern der Berichte nicht das richtige Blatt.
Er räusperte sich und fuhr einfach fort, nun mit einem merklich roteren Kopf als zuvor: »Ansonsten war er gar nicht so unbescheiden – die Investitionen in Büroräume und Einrichtung hielten sich in engen Grenzen. Was man, glaube ich, von seinem Privatleben nicht unbedingt sagen kann, aber das werden wir ja dann nachher noch vom Kollegen Strobl hören. Aber ganz koscher ist diese Firma auch nicht, meine ich. Und zwar nicht nur, weil sie Produkte verkauft haben, deren Wirkung nicht belegt ist, von dem dubiosen Geschäft mit den Kaffeefahrten ganz zu schweigen.« Für einen Moment schien Maiers Abscheu gegenüber Sutters Geschäftspraxis seine Scheu vor öffentlichen Reden zu überwiegen und er redete sich geradezu in Rage. »Also, wenn man mich fragt, das ist eine Abzocke an alten Leuten, die sich nicht mehr richtig wehren können. Das gehört meines Erachtens verboten!«
»Sochlich, Maier, bleibms bittschön korrekt, eahna Moanung
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