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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Chorgestühl einmal genau angesehen? Die Darstellungen – Erde und Himmel, Dämonen, Propheten und Heilige, Apostel und Engel – wiederholen sich andauernd. Doch die Figur hier, die scheint so gar nicht hineinzupassen. Und noch etwas ist seltsam: Tatsache ist, dass diese Figur aus einem anderen Holz ist als der Rest des Gestühls. Alle anderen sind aus Eiche, diese Figur aber aus … «
    Er machte eine Pause und ließ Kluftinger den Satz vollenden. »… Buche«, sagte der mit einem kaum hörbaren Flüstern.
    »Richtig. Buche. Ach ja, nicht zu vergessen: Ich habe die Geschichtsbücher hier oft und lange studiert. Mathias Kreutzer gab es wirklich. Es steht nichts über seine Kinder in den Büchern, nur ein Sohn ist erwähnt. Und die unerklärliche Wandlung. Jetzt machen Sie sich selbst einen Reim darauf. Ignorabimus: Das sind Dinge, die wir nicht mit unserem Verstand erfassen können.«
    Kluftinger kam dieser Satz bekannt vor und er brachte ihn wieder zurück in die Realität. Er hatte ihn erst vor wenigen Tagen in seinem Wohnzimmer gehört, von zwei Frauen, die vor einem Fernseher saßen, in dem ein Shoppingsender lief. Ja, es gab solche Dinge, das schien sich immer mehr abzuzeichnen.
    »Und diese … «, der Kommissar musste sich räuspern, weil seine Stimme so belegt war, dass er nur ein Krächzen hervorbrachte, » … und diese Figur da … «
    » … der Bußfertige Sünder«, ergänzte der Geistliche.
    »Dieser Bußfertige Sünder ist also so was wie ein Symbol?«
    »Ja, ich glaube, dass man das so sagen kann. Es ist ein Symbol für Umkehr. Und für die Barmherzigkeit Gottes, bei dem selbst ein Sünder wie Mathias Kreutzer noch eine Chance bekommt. Wenn er bereut«, sagte der Mönch und hob dabei mahnend seinen Zeigefinger. Dann entspannten sich seine Gesichtszüge etwas und er sagte: »Soll ich Sie jetzt zu Ihrer Gruppe zurückführen?«
    »Ehrlich gesagt – nein. Ich, ähm, ich hätte da eigentlich noch ein paar Fragen an Sie.«
    »Ich weiß nicht so recht … vielleicht suchen die anderen Sie schon.«
    Kluftinger dachte kurz nach, ob er seinen Beruf verraten sollte. Er entschloss sich schließlich dazu, weil er sich von seiner Offenheit im Gegenzug auch offene Antworten versprach, außerdem, weil er sich ein bisschen davor fürchtete, diesen eindrucksvollen Gottesmann vor sich zu beschwindeln.
    »Ich möchte mich Ihnen noch einmal vorstellen. Mein Name ist Kluftinger, das wissen Sie ja schon. Aber meinen Beruf kennen Sie noch nicht: Ich bin Kriminalbeamter.«
    Pater Odilo verzog keine Miene, was Kluftinger etwas aus dem Konzept brachte, weil die Reaktionen auf diese Mitteilung sonst wesentlich heftiger ausfielen.
    »Nun, ich ermittle gerade in einem sehr undurchsichtigen Fall. Und die Recherchen haben mich heute hierher geführt.«
    Noch immer sah der Geistliche ihn völlig ungerührt an.
    »Jetzt werden Sie sich sicher fragen, was das alles mit Ihnen zu tun hat.«
    Keine Reaktion.
    »Also, wir haben ein Foto bei dem Opfer, einer Frau, gefunden. Ein Foto, das offenbar der Mörder hinterlassen hat.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zu der kleinen Krypta und ein kleiner, etwas verwachsener, alter Mann schlurfte ins Innere. Er trug dunkle Kleidung, die abgewetzt und schmutzig war. Ein kleiner Buckel auf dem Rücken zwang ihn zu einem gebeugten Gang. In seiner Hand hielt er einen Staubwedel und ein Schäufelchen. Als er an ihnen vorbeiging, nickte er kurz, verzerrte sein faltiges Gesicht zu einem Grinsen, wobei er seine Zähne entblößte – oder vielmehr das, was von ihnen übrig war.
    »Gelobt sei Jesus Christus«, murmelte er im Vorbeigehen.
    »In Ewigkeit Amen«, antwortete Pater Odilo, sah dem Alten mit einem Lächeln nach und flüsterte dann Kluftinger zu: »Nicht wundern, das ist noch einer vom ganz alten Schlag. Erledigt für uns ein paar Hausmeisterarbeiten. Er wohnt bei uns im Kloster. Aber Sie wollten gerade etwas von einem Foto erzählen?«
    »Das Foto, natürlich!«
    Kluftinger vergewisserte sich mit einem Blick, dass der alte Mesner außer Hörweite war. Da er nur ein paar Meter von ihnen entfernt am Chorgestühl stand und mit dem Wedel begann, es abzustauben, senkte er seine Stimme: »Wie gesagt: Bei dem Opfer befand sich ein Foto, das ich Ihnen gerne einmal zeigen würde. Hier.«
    Er griff in seine Tasche, zog das Bild heraus und reichte es dem Mönch. Gespannt blickte er in sein Gesicht und versuchte, irgendeine Reaktion herauszulesen. Doch Pater Odilos Miene

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