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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Betrieb, was vor allem daran lag, dass kurz vor ihnen die Reisegruppe eingefallen war. Obwohl es erst kurz vor elf war, hatte Kluftinger bereits Appetit auf ein deftiges Mittagessen. Mit zunehmendem Alter verschob sich sein Hunger bei allen Hauptmahlzeiten immer weiter nach vorn, was der Kommissar mit einer gewissen Besorgnis zur Kenntnis nahm. Sein Sohn Markus sagte dann immer, das sei die natürliche Evolution in Richtung Altenheim, wo es irgendwann das Abendessen um 16 Uhr gebe. Auch wenn er dann beleidigt abwinkte, fürchtete er ein bisschen, dass er damit Recht hatte.
    Wie immer fragte ihn seine Frau, was er wohl nehmen würde, sie könne sich gar nicht entscheiden, und wie immer kommentierte er die angebotenen Gerichte halblaut: »So. Jägerschnitzel mit Pommes. Mal sehen … Putensteak, Fischplatte, ha, Fischplatte am Vormittag, die spinnen wohl? Aber der Zwiebelrostbraten lacht mich direkt an. Und … «
    Plötzlich stutzte der Kommissar. Seine Augen weiteten sich, dann drehte er die Speisekarte um und las laut vom Einband ab: »Gasthof Engel, gutbürgerliche Küche.«
    Seine Frau sah ihn fragend an.
    »Steht das bei dir auch drauf?«, wollte er wissen.
    Etwas irritiert blickte sie auf ihren Einband und nickte.
    »Also. Was soll dann der Schmarrn?«
    Erika verstand immer noch nicht.
    »Da. Auf Seite drei: Tofu in Currysoße! Ist das jetzt die neue Hausmannskost?«
    Da sich die Bedienung bereits neben dem Tisch postiert hatte, unterbrach er sein Gemecker und orderte mit einem demonstrativen Kopfnicken: »Einmal den Zwiebelrostbraten. Mit viel Zwiebeln, wenn’s geht. Ach, und könnt ich statt der Pommes als Beilage vielleicht ein paar Kässpatzen haben? Ja, geht das? Danke.«
    Seine Frau, die sich über den Appetit ihres Mannes am Vormittag schon lange nicht mehr wunderte, bestellte lediglich einen Salat mit Putenstreifen.
    Als die Bedienung gegangen war, sah sich Kluftinger erneut die Postkarten des Chorgestühls an, die er beim Herausgehen noch gekauft hatte.
    »Bist du nicht zufrieden?«, wollte seine Frau wissen.
    »Na«, brummte er zurück.
    »Aber mit dem, was dir der Pater erzählt hat, kommst du doch bestimmt weiter.«
    Kluftinger blickte sie an. Hatten sie doch zu laut gesprochen?
    »Wieso? Was meinst du jetzt?«
    »Na, ihr habt euch doch eine ganze Weile unterhalten. Ich bin ja erst später dazugekommen. Und dann hab ich auch nichts verstanden, der Alte hat immer so gegrummelt.«
    »Ja, der hat mich auch aufgeregt. Mir kam’s vor, als hätte der gerne mehr mitbekommen.«
    »Ich weiß nicht, der schien mir mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. Hat immer so einen Spruch vor sich hingesagt.«
    »Was denn für einen Spruch?«
    »Ich weiß auch nicht genau. Hat für mich keinen Sinn ergeben. Irgendwas wie ›Elf. Natürlich sind’s elf.‹ und so weiter.«
    Kluftinger ließ die Postkarten fallen und starrte seine Frau an.
    »Was hat er gesagt?«, fragte er heiser. Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss.
    »Ich weiß nicht, irgendwas mit … «
    »Überleg ganz genau«, herrschte Kluftinger sie so laut an, dass sie zusammenzuckte und einige Mitglieder der Reisegruppe ihn mit tadelnden Blicken straften.
    Es schien ihrem Mann ernst zu sein, also überlegte sie angestrengt.
    »Er sagte immer, also ich glaube … Ja, genau: ›Elf sind’s. Natürlich sind’s elf. Wie in der Sage. Es müssen elf sein.‹«
    Kluftinger stand so ruckartig auf, dass sich der Tisch dabei geräuschvoll ein Stück über den Boden schob.
    »Bin gleich wieder da«, rief er noch und eilte aus dem Lokal.
    ***
    Er war die Klostermauer entlanggerannt und nun völlig verschwitzt und puterrot im Gesicht bei dem Eingang angelangt, an dem sie vorhin ihre Führung begonnen hatten. Die Frau mit der altmodischen Hochfrisur und der goldumrandeten Brille hinter dem Glas in dem kleinen Kassenhäuschen machte ein skeptisches Gesicht. Sie drückte auf einen Knopf, dann erschallte über Lautsprecher draußen ihre Stimme: »Sie wünschen? Wenn Sie noch mal hineinwollen, dann müssen Sie noch einmal Eintritt bezahlen.«
    Offenbar erinnerte sie sich an ihn.
    »Nein, ich … muss den Hausmeister … sprechen.«
    Er musste nach fast jedem Wort eine Atempause machen, so hatte ihn sein Sprint angestrengt.
    »Bitte sprechen Sie in das Mikrofon«, kam es blechern aus dem Lautsprecher.
    »Welches Mikrofon? Ich seh … kein Mikrofon!«
    »Bitte sprechen Sie ins Mikrofon«, kam es wieder von drinnen und die Frau machte dabei einen

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