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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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peinlich allmählich. Wenn uns jemand sieht!«
    Zu Hefeles Freude startete Kluftinger den Motor. Was ihn aber verwunderte, war, dass der Kommissar zurücksetzte und zu wenden schien. Den Sinn dieses Fahrmanövers hatte er erst erfasst, als die Beifahrertür, an der er saß, sich nun direkt gegenüber der Haustür befand.
    Es dauerte noch ein, zwei Sekunden, dann fasste sich Hefele ein Herz, riss die Tür des Wagens auf, ignorierte den Hund und zog an dem Messingstab, unter dem ein altes Emailleschild mit dem Wort »Türglocke« angebracht war.
    Kluftinger, der im Auto sitzen geblieben war, behielt den Dobermann die ganze Zeit im Blick. Er übernahm sozusagen die Deckung, redete er sich ein. Als Hefele mit einem lauten Schlag die Türe von innen wieder schloss, hatte der Hund sich noch immer nicht gerührt. Nun wanderten die Blicke der beiden zur Haustür. Nichts geschah. Eine ganze Weile warteten sie, dass die Tür sich öffnen, der Hund ins Haus gepfiffen und dort weggesperrt würde. Aber der Eingang blieb verschlossen.
    »Klingelst du nochmal?«, fragte Kluftinger schließlich zaghaft.
    Dann endlich öffnete sich die Tür. Hefele kurbelte vorsichtig, mit Blick zum Bluthund, das Fenster herunter, als eine Frau im Türstock erschien. Keine Regung des Hundes. Die Frau war vielleicht etwas über sechzig mit einem knochigen und blassen Gesicht, die dünnen Lippen hatte sie fest zusammengekniffen. Ihr Gesicht war eingerahmt von einem akkurat geschnittenen Pagenkopf. Sie trug einen grauen Rock, der bis über ihre Knie ging. Die weinrote Bluse besaß keinerlei Ausschnitt, ihr Kragen war mit Rüschen verziert. Mit ihrer ebenfalls dunkelroten Hausjacke und ihrer dünnen Goldkette um den Hals, an der ein kleines Kruzifix hing, erinnerte Frau Urban Kluftinger an seine Englischlehrerin, die er von der siebten bis zur zehnten Klasse gehabt hatte. Er hatte nie etwas gegen Herta Höppner gehabt, auch wenn sie mit fünfzig Jahren noch allein mit ihrer Mutter gewohnt, sie das »th« in einem so übertriebenen Oxford-English ausgesprochen hatte, wie es nur deutsche, ledige Englischlehrerinnen konnten, und auch wenn sie bei der Einführung des Verbs »to kiss« rot angelaufen war. Dennoch war sie ihm immer eine Spur zu korrekt gewesen. Sie war eine der Frauen, die sich ihr Leben lang mit »Fräulein« ansprechen ließen und dies auch noch zu genießen schienen.
    »Ja, was möchten Sie?«, kam es von der Haustür her in einer hellen, freundlichen Tonlage, und in einem geschliffenen Hochdeutsch, das Kluftinger entfernt an Fräulein Höppners »th« erinnerte.
    »Wir kommen auf Empfehlung von Herrn Dr. Schneider von der Stadt Kempten. Kluftinger. Mein Kollege Hefele. Frau Urban, erschrecken Sie jetzt nicht: Wir sind von der Kriminalpolizei.«
    »Ist etwas passiert? Mit meinem Sohn? Ein Unfall?«
    »Nein, keine Angst, wir möchten Ihnen ein paar Fragen zur Allgäuer Geschichte stellen, wir brauchen Sie sozusagen als Expertin. Herr Dr. Schneider hat uns gesagt, dass Sie sich da so gut auskennen. Entschuldigen Sie, dass wir Sie einfach überfallen.«
    Sofort wich der kurze Anflug von Sorge aus ihrem Gesicht, ein Gesichtsausdruck, den Kluftinger von Erika kannte, wenn Markus sich sehr verspätete. Mit freundlicher Zurückhaltung bat sie die beiden Polizisten ins Haus. Diese aber machten keine Anstalten, auszusteigen.
    »Bitte, treten Sie ein, meine Herren!«, wiederholte sie ihre Aufforderung.
    Wieder aber erkannte sie keine Regung bei den Beamten, die nun demonstrativ in Richtung des Hundes sahen.
    Hiltrud Urban aber schien nicht zu verstehen und bat nun, schon etwas ungeduldig: »Ja kommen Sie doch herein!«
    Zögerlich ließ Kluftinger ein langgezogenes »Äh … « verlauten und fügte fragend »Und der Hund?« hinzu.
    »Ach wegen des Hundes … keine Sorge, der ist die Sanftmut in Person. Sie können ruhig aussteigen. Komm her, Tyras!«
    »Ja priml«, flüsterte Kluftinger seinem Kollegen zu. »Tyras. Entzückender Name. So beruhigend.«
    Tyras folgte seiner Herrin aufs Wort und trabte zur Haustür. Kluftinger stieg langsam aus. Gemessenen Schrittes bewegte er sich um das Auto herum. Zu seiner Erleichterung blieb die vermeintliche Bestie völlig ruhig, bewegte sich aber langsam in seine Richtung. Er müsste einfach ganz unauffällig weitergehen, sprach er sich selbst Mut zu. Nur keine hektischen Bewegungen, die machen Wachhunde aggressiv, das wusste er von den Diensthundeführern der Polizei.
    An der Tür angekommen, reichten die

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