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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Beamten Frau Urban nacheinander die Hand. Tyras schlich gelangweilt um sie herum. Kluftinger nahm sein Mobiltelefon aus der Tasche und stellte es auf lautlos.
    »Machen Sie dieses Ding bitte aus, solange Sie bei uns im Haus sind«, versetzte Frau Urban zwar nicht unfreundlich, aber sehr bestimmt.
    »Ich stell den Klingelton ab, dann stört es uns nicht.«
    »Machen Sie es bitte aus. Auch lautlos strahlt es weiter. Wir haben alle strahlenden Geräte aus unserem Haushalt verbannt.«
    Kluftinger fand das reichlich übertrieben – offenbar gehörten die Urbans auch zu den glühenden Gegnern der Mobilfunkmasten, die hier in der Gegend aufgestellt werden sollten und wovor Schilder und Transparente, ja sogar weiß eingepackte Strohballen mit Beschriftung im Ort und rings um die Gemeinde warnten. Da Kluftinger nur zu gut wusste, dass es besser war, sich mit solchen Leuten nicht auf eine Diskussion einzulassen, und da er ja schließlich Gast in einem fremden Haus war, schaltete er das Telefon aus und bedeutete Hefele, es ihm gleich zu tun. Der erwartete Dank der Hausherrin hierfür blieb allerdings aus.
    Vom Interieur des Hauses hatte sich der Kommissar etwas völlig anderes versprochen, als er nun zu sehen bekam. Im kahlen, etwas zu dunklen Gang stand ein altes, schweres Büffet in dunklem Nussbaumholz und schräg gegenüber ein passendes Vertiko. Auf dem ausgetretenen, einfachen Dielenboden hätte er Bauernschränke erwartet, nicht aber diese Stilmöbel, die besser in eine Gründerzeitvilla gepasst hätten. Die Schwere der Einrichtung wurde noch verstärkt durch die niedrige Holzdecke. Auf der Kommode sah Kluftinger ein Wählscheibentelefon, dessen orangefarbener Hörer unter einem rot-goldenen Brokatbezug herausspitzte. Kluftinger erinnerte sich, dass eine seiner Tanten ebenfalls einmal eine solche Stoff-Verzierung besessen hatte. Und Fräulein Höppner bestimmt auch. Er fragte sich, was wohl gesundheitsschädlicher war: Diese Geschmacklosigkeit oder ein paar Handy-Strahlen. Hiltrud Urban öffnete links eine alte hölzerne Stubentüre und bat ihre Besucher ins Wohnzimmer.
    Auch hier waren die Möbel fast schwarz: ein riesiger Bücherschrank, eine Art Sideboard an der gegenüberliegenden Wand und ein Esstisch, auf dem eine kleine weiße Spitzendecke lag. Vor den Fenstern hingen bodenlange, weiße Vorhänge, die das diffuse Licht noch einmal dämpften, darüber Übervorhänge, deren Stoff an die Verkleidung des Telefons erinnerte. Vor den Fenstern und auf dem Sideboard lagen mehrere Kristalle, von denen Kluftinger einige als Rosenquarz, andere als Bergkristall identifizierte. In einer Ecke auf einem Hocker brannte eine Salzkristalllampe.
    Bestimmt gegen die Strahlung, vermutete Kluftinger. Fernseher oder Radio konnte er nicht erblicken. Zwei wuchtige, lederne Clubsessel standen in einer anderen Ecke, dazwischen eine Stehlampe aus Messing mit ledernem Schirm. Bis auf die elektrischen Lampen wirkte alles wie aus einem vergangenen Jahrhundert. Beim Blick durch das Fenster sah Kluftinger in dem schönen Bauerngarten den Rücken eines weißhaarigen Mannes, der gerade ein Beet harkte. Kluftinger wunderte sich über die widersprüchlichen Eindrücke, die sich ihm hier boten: außen eine originalgetreue bäuerliche Idylle, innen der angestaubte, etwas muffige Charme einer Stadtwohnung der Jahrhundertwende.
    Die Kommissare setzten sich Frau Urban gegenüber an den Esstisch. Sie schien nicht sonderlich beeindruckt davon, dass sie von der Kriminalpolizei als Expertin für Heimatkunde befragt wurde. Entweder, dachte der Kommissar, war sie es gewohnt, über ihr Hobby allen möglichen Leuten Auskunft zu geben, oder sie gehörte zu den Menschen, denen man Stimmungen nicht anmerkte. Die mit Gleichmut alles hinnahmen und kommentarlos registrierten, was das Leben ihnen bot.
    Plötzlich erschrak Kluftinger: Er hatte den großen Hund bereits völlig vergessen, als dieser sich neben ihn setzte und ihn regungslos anstarrte. Kluftinger schluckte und begann zu schwitzen. Seine Anspannung übertrug sich auf seine Haltung und er saß steif auf seinem Stuhl. Es würde kein unverkrampftes Gespräch werden mit dieser Bestie neben sich.
    »Worum geht es denn, meine Herren?«
    »Einen schönen Gruß von Herrn Dr. Schneider soll ich Ihnen ausrichten«, begann Kluftinger.
    »Deswegen sind Sie hier?«, erwiderte Frau Urban ernst.
    Kluftinger lächelte kurz und hob dann an: »Wie gesagt, es geht um Heimatgeschichte. Wir würden gerne etwas über die Sage

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