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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Gläubigen hingestellt worden sind.«
    »Genau. Aber wissen Sie auch, was es mit diesen Kreuzen auf sich hat?«
    »Nein, keine Ahnung.«
    »Ein Mönch fristete dort einst sein Leben als Einsiedler. Wasser bekam er aus einer Quelle, die ihm von geheimnisvollen Raben gezeigt wurde.«
    Als Kluftinger das Wort »Raben« vernahm, breitete sich auf seinem Arm eine Gänsehaut aus.
    »Viele Jahre später fand man ihn dort tot. Als er in Frauenzell begraben werden sollte, geschah etwas Seltsames: Jedes Mal kurz vor Frauenzell scheuten die Pferde, die seinen Sarg zogen, machten kehrt und fuhren zurück ins Gschnaidt. Schließlich begrub man den Eremiten auf dem Hügel und errichtete über seinem Grab eine Kapelle. Die steht noch heute da, wie Sie ja wissen, und ist immer wieder Ziel zahlreicher Wallfahrer. Die später dort auch einen Kreuzweg errichteten, von der Kapelle bis zur Quelle, die einst die Raben dem Einsiedler gezeigt haben. Seitdem war die Kapelle immer wieder Ort unerklärlicher Vorgänge … «
    Kluftinger schluckte. Frau Urbans Erzählung hatte ihn gefesselt. »Und Sie, junger Mann, wo kommen Sie her?«
    Kluftinger sah seinen Kollegen, der Ende vierzig war, grinsend an. Frau Urban verkörperte einen Typ Frau, der langsam ausstarb. Was sie auszeichnete, war eine Mischung aus althergebrachter Korrektheit und dem verstaubten Charme einer alten Jungfer.
    »Aus Roßhaupten. Ich hab jeden Tag einen ziemlich weiten Weg nach Kempten zu fahren.«
    »Roßhaupten?«
    Ohne diesmal in einem ihrer Bücher nachschlagen zu müssen, erklärte sie den beiden Kriminalkommissaren die Entstehung dieses Ortsnamens: »Es geht die Sage, dass dort, wo heute der Ort Roßhaupten im Ostallgäu liegt, früher nur ein paar Hütten in weiter Wildnis gestanden hätten, die damals den Jägern Schutz boten. Und wenn diese draußen ihre Pferde angebunden haben, sind in der Nacht wilde Tiere gekommen, die die Rösser bis auf den angebundenen Kopf aufgefressen haben. Daher hat dann der Ort seinen Namen bekommen.«
    Kluftingers Stimme war vom gespannten Zuhören belegt und er räusperte sich, bevor er sagte: »Interessant, Frau Urban. Man könnte Ihnen ewig zuhören, wirklich. Sie sind mir aber nicht böse, wenn ich Sie jetzt nach Rappenscheuchen frage?«, brachte Kluftinger das Gespräch auf den eigentlichen Grund ihres Besuchs zurück.
    »Rappenscheuchen, ja, selbstverständlich, deshalb sind Sie ja da.«
    Hiltrud Urban nahm aus dem Stapel ein zerfleddertes, altes Büchlein, eher ein Heft, dessen grüner, ausgeblichener Einband mit einem Kupferstich, der einen unheimlichen Ritter zeigte, verziert war.
    »Ich denke, Sie sollten die Sage ganz hören, damit ich kein Detail vergesse. Ich werde sie Ihnen einfach kurz vorlesen. Folgendes steht hier geschrieben:
    Wenn man auf der Straße von Kempten nach Memmingen das Dorf Hirschdorf hinter sich hat … von Altusried übrigens keine Rede«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln in Kluftingers Richtung, »sieht man etwa eine Viertelstunde unterhalb dieses Dorfes links neben der Straße am nahen Waldsaume die Ruinen einer zerfallenen Burg, über welche junge Tannen und Fichten emporragen. Daneben steht ein Weiler, von mehreren zerstreuten Häusern gebildet, welcher bis auf den heutigen Tag den Namen von dieser Burg ›Rappenschaichen‹ trägt.«
    Frau Urban sah kurz hoch und sagte: »Das steht hier interessanterweise noch mit ›ai‹ geschrieben.« Dann fuhr sie fort:
    »Hier hauste in alten Zeiten ein gar ungebärdiger Ritter, der Schrecken der ganzen Gegend. Zogen die Ulmer Kaufleute mit ihren Waren aus Welschland des Weges fürbaß, da lauerte Kuno mit seinen wilden Gesellen im Gehölze, plünderte die Reisigen oder ließ sich das Weiterziehen mit blankem Gelde bezahlen. Seine Grundholden bedrückte er auf alle Weise; kam ein Bettler an die Schlosspforte, so hetzte er seine zottigen Rüden nach ihm und sah mit Hohngelächter zu, wenn sie ihn recht übel zurichteten … «
    Kluftinger blickte kurz zu Tyras, der reglos neben ihm saß und starrte, konzentrierte sich aber gleich wieder auf die Geschichte.
    »Auch alten Weibern nahm er noch die letzte Habe, die sie hatten, dass die mitunter am Hunger oder auch am Grame starben. Das unrecht aufgehäufte Gut war dann in schwelgerischen Gelagen verschwendet, wobei die geraubten Weinfässer, wenn sie ihres feurigen Inhalts entleert waren, unter dem Gejauchze der Zechenden in den Burggraben hinabgerollt wurden. So trieb er das wilde Raubhandwerk viele

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