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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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konnte Kluftinger es ihm nicht verdenken: Er hätte dasselbe getan, hätte es in seinem Garten gelegen und man darauf eine Leiche gefunden. Nur ein kleines Schild, das mit ein paar Nägeln darauf befestigt war, trug rostiges, verwittertes Hellgrün. Er erinnerte sich, dass er es auch an dem anderen Blech gesehen hatte. Das Sprüchlein, das darauf stand, hatte er damals nicht bewusst registriert, und auch jetzt konnte er es nur mühsam entziffern, so sehr hatte das Wetter ihm zugesetzt: »Wer den Hut rab tut, tut ihn wieder nauf!«
    Er bückte sich, packte das Blech an zwei gegenüberliegenden Enden und warf es mit Schwung einen Meter zur Seite.
    Das erste, was er sah, waren die unzähligen Asseln, die vom plötzlichen Lichteinfall erschreckt auseinander stoben. Einige Nacktschnecken hatten unter dem Blech ebenfalls Schutz vor der Sonneneinstrahlung gesucht. Dann erblickte der Kommissar die Schrift. Wie er es nach seinem Ausflug in den archäologischen Park vermutet hatte. Allerdings waren nur die ersten Buchstaben lesbar, der Rest war unter einer feuchten, dunklen Dreckschicht verborgen. Kluftinger nahm sich ein paar der welken Blätter, die der Herbst bereits auf die Wiese hatte fallen lassen, und wischte damit den Stein provisorisch sauber. Dann ging er einen Schritt zurück und besah sich die Inschrift. In großen, festlich geschwungenen, altertümlichen Buchstaben stand dort: »Burg Rappenschaichen. Sitz der Herren von Hirschdorf, Truchsessen der Äbte des Stiftes Kempten, erstmals urkundlich erwähnt 1239.«
    Er wusste nicht genau, was Truchsessen waren, aber der Fund reichte auch so aus, um in ihm eine ehrfürchtige Freude über dieses neue Puzzleteil aufkommen zu lassen. Es hatte hier eine Burg gegeben und bestimmt gab es auch irgendeine Sage zu den Herren, die hier gehaust hatten. Konzentriert schrieb er die Inschrift Wort für Wort ab.
    Gerade als er seinen Block wieder einsteckte, durchbrach ein Schrei hinter ihm die Stille: »He! Was machen Sie da? Weg da!« Er drehte sich um und erkannte den Bauern, der ihm mit der Mistgabel entgegen rannte.
    »Herr Gassner, grüß Gott«, rief ihm der Kommissar entgegen, was den Landwirt irritiert innehalten ließ. Er hatte aufgehört zu rennen und ging nun langsam auf den Kommissar zu. Erst, als er nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, hellte sich seine verkniffene Miene auf.
    »Ach, der Herr Polizist. Ich hab Sie gar nicht gleich erkannt, müssen’s schon entschuldigen. Aber seit dem Fund sind wir halt ein bissle nervös.«
    »Schon gut. Ich muss mich entschuldigen, dass ich nicht erst bei Ihnen geklingelt hab. Aber ich bin etwas in Eile, wissen S’.«
    Der Landwirt nickte. Er trug exakt die gleiche Kleidung wie an jenem Mittwoch: eine Latzhose, die in dunkelgrünen Stiefeln steckte, und ein grobes, schmutziges Hemd mit Stehkragen, dessen Ärmel hochgekrempelt waren. Mit einem wuchtigen Hieb, der die Kraft des hageren Mannes erahnen ließ, rammte er die Mistgabel, die er trug, in den Boden neben sich. Dann blickte er fragend zwischen dem Stein und dem Kommissar hin und her.
    »Ja, Sie werden sich fragen, was ich hier mache«, begann der Kommissar. Das war zwar offensichtlich, aber er wollte noch etwas Zeit gewinnen, um sich darüber klar zu werden, wie viel er dem Mann von den Ermittlungen preisgeben wollte.
    »Es ist so … also, wissen Sie etwas über eine Sage, die von diesem Ort handelt?«
    »Dass hier mal eine Burg war? Ja, das steht ja auf dem Stein da. Aber Sage ist das eigentlich keine, das war schon so. Mein Vater hat die Reste irgendwann mal planiert. Also nicht die Reste der Burg, mehr die vom Hügel. Sind ja eh nur noch ein paar Steine da. Aber des sehen’s ja selbst.«
    »Jaja … ich meine, nein. Das mit der Burg ist schon klar. Aber mir geht es um eine Sage über den Ort hier.«
    »So eine Gruselg’schichte, oder was? Nein, also da kenn ich nix. Ich weiß halt bloß des mit der Burg. Die hat da g’standen. Des war ja viel hügeliger, da wo wir jetzt stehen. Ein richtiger Burggraben war da drumherum. Aber den hat mein Vater planiert. Ich hab ein Bild davon, wenn Sie’s sehen wollen.«
    Kluftinger ließ sich das Bild, ein Gemälde aus den Fünfzigern, zeigen, doch darauf war nicht viel mehr zu sehen als jetzt, mit dem Unterschied, dass der kleine Hügel, auf dem sich der Gedenkstein befand, damals ein großer gewesen war.
    Er bedankte sich und fuhr mit dem Gefühl, um ein Detail reicher zu sein, aber nicht so recht zu wissen, wohin

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