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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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Jahre, fragte nichts nach Gott und nach den Menschen, und so kühne Abenteuer er auch unternahm, immer kehrte er siegreich von jedem Strauße heim, so dass es allum hieß: Ritter Kuno hat seine Seele dem Teufel verschrieben, drum richtet keiner etwas mit ihm aus! Plötzlich stirbt er um die Mitternachtsstunde, von einem blutigen Raube heimgekehrt. Seine Gesellen tragen den Leichnam in das oberste Gemach, von dem aus Kuno auf die an der nahen Straße Vorüberziehenden Spähe zu halten pflegte. Indes sie im Erdgeschoss über die Teilung der angehäuften Schätze hadern und lärmen, erschallt plötzlich um die Zinne der Burg ein kreischendes Gekrächze einer Schar Raben, welche bald durch die geöffneten Fenster in das Totengemach hineinfliegen und mit wütendem Geschrei das Antlitz des verstorbenen zerfleischen. Die Totenwächter vermochten sie erst zu verscheuchen, als von dem vollstrotzenden Gesichte nur mehr die nackten Knochen aus dem Leintuche hervorgrinsten. Die Zechenden im Hofe ergriff kalter Graus, sie ahnten Gottes Strafgericht, verteilten die geraubten Güter unter die Armen oder vergaben sie an Kirchen und überlieferten das Raubnest den Flammen, welche es bis auf das Erdgeschoss verzehrten, das noch heute in seinen Trümmern die Erinnerung an diese Sage aufbewahrt in seinem Namen Rappenschaichen.«
    Sie blickte sie über den Rand ihrer Brille hinweg an. Kluftinger atmete tief durch. Noch bevor er aber etwas sagen konnte, fügte sie an:
    »Moment, hier steht noch eine andere Version: Nach anderer Sage habe man den Raubritter einmal verwundet auf sein Schloss gebracht. Als am Morgen seine Diener den Schlafgaden öffneten, um nach ihrem Herrn zu sehen, saßen schwarze Vögel auf seinem toten Leibe. Alle Versuche, die schauerlichen Vögel zu verscheuchen, misslangen, bis diese zuletzt mit ihren feurigen Krallen den Leichnam erfassten und in den Lüften forttrugen.«
    »Sensationell.«
    »Bergkristall. Gegen schlechte Strahlen. Es ist der Stein der Reinheit, wissen Sie?«
    Kluftinger merkte erst nach einer Weile, dass er es war, den Frau Urban da gerade angesprochen hatte. Tatsächlich hatte er so gedankenversunken den Sagen gelauscht, dass er unterbewusst mit einem Kristallbrocken auf dem Tisch herumgespielt hatte. Allerdings hatte sich sein »sensationell« nicht auf den Stein bezogen. Es waren zu gleichen Teilen die Sage und der mitreißende Vortrag der Frau gewesen, die ihm dieses Urteil entlockt hatten. Endlich hatten sie gefunden, wonach sie die letzten Tage so sehr gesucht hatten. Er wollte nun schnellstens in sein Büro, wollte die Fäden zusammenknüpfen, deren lose Enden nun vor ihm lagen. Er hob den Kopf in Richtung der Gastgeberin und sagte kurz angebunden: »Ah so.«
    »Das sind geradezu Magneten, die die bösen Schwingungen binden.«
    »Mhm … ja, vielen Dank dann für Ihre Mühe und Ihre schnelle Hilfe«, unterband Kluftinger weitere Erklärungen über Erdstrahlen und geheime Schwingungen. Hiltrud Urban kehrte wieder zu ihrem reservierten Ton und ihrer kühlen Art zurück, die sie am Anfang der Begegnung mit den Polizisten gezeigt hatte: »Keine Ursache, meine Herren. Ich bringe Sie noch zur Tür.«
    Wie auf Kommando sprang auch Tyras, den Kluftinger im Lauf des Gesprächs niemals aus den Augen verloren hatte, auf und postierte sich neben seinem Frauchen.
    »Ein schönes Haus, das Sie da haben«, sagte der Kommissar beim Hinausgehen.
    »Danke«, erwiderte Frau Urban mit kühler Strenge, die im Kontrast zu ihrer lebendigen Vortragsweise stand, und Kluftinger fragte sich, wie es ihr gelang, ihre Stimmungslage so schnell zu wechseln.
    »Aber sicher viel Arbeit, gell?«, vermutete Hefele.
    »Es geht.«
    Die beiden gaben ihren Versuch, sich mit geheucheltem Interesse für die Mühe, die sie der Frau bereitet hatten, zu bedanken, schließlich auf und verabschiedeten sich.
    Der Kommissar äußerte nur noch eine Bitte: »Wenn wir Fragen haben, dürften wir dann noch mal kommen?«
    »Sicher. Wenn Sie dann aber vorher anrufen würden.« Damit schloss sie die Haustüre und überließ es ihrem Hund, Hefele und Kluftinger noch zum Auto zu eskortierten.
    Vorsichtig, den Dobermann immer im Blick, gingen sie zu ihrem Wagen. Erst als sie saßen, bemerkten sie, dass draußen mittlerweile der erste Schnee gefallen war. Es war ein körniger Schneegriesel, der fürs Allgäu zwar nicht ungewöhnlich, so früh aber auch im Voralpenland selten zu beobachten war.
    Kluftingers Nase hatte ihn nicht getäuscht. Den

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