Erntemord
bis er das Restaurant verlassen hatte. Er ahnte, dass er zumindest in den nächsten zehn Minuten Hauptgesprächsthema sein würde.
Die Hotelbar, in der er Brad Johnstone treffen wollte, lag nur ein paar Blocks die ruhigen Straßen hinunter. Der Abend war klar und kühl. Straßenlampen erhellten den Weg, doch die Geschäfte waren geschlossen, und mit den Blättern des Herbstes hatte sich auch ein Gefühl der Verlassenheit über die Straße gelegt.
Das Hotel war Anfang des zwanzigsten Jahrhundert erbaut worden, doch die umliegenden Gebäude datierten bis in das späte 18. Jahrhundert zurück. Es befand sich in der Nähe des Stadtparks, wo die Pilgerväter einst ihr Vieh geweidet hatten.
Nach der Kühle der Straße empfing ihn das Hotel mit einer angenehmen Wärme. Er fand seinen Weg in die Bar, wo Brad am Tresen zusammengesackt auf einem Stuhl saß, den Kopf in den Händen vergraben.
Jeremy ging hinüber und legte ihm die Hand auf die Schulter. Als Brad aufsah, war die Hoffnung in seinen Augen so offensichtlich, dass es fast zum Fürchten war. Er stand auf und schlang seine Arme um Jeremy, um ihn fest zu umarmen. Jeremy, dem das unbehaglich war, tätschelte seinen Rücken und entzog sich dem Griff seines Freundes.
„Was nehmen Sie?“, fragte der Barkeeper.
„Ein Bier vom Fass“, bestellte Jeremy.
„Wir können uns da drüben in eine Nische setzen“, schlugBrad vor. Er griff sein Glas, das offenbar mit Bourbon gefüllt war. „Hugh“, sagte er zum Barkeeper, „dies ist mein Freund Jeremy Flynn. Er ist hier, um mir bei der Suche nach Mary zu helfen.“
„Das hoffe ich sehr“, sagte Hugh und reichte Jeremy ein Bier. Offensichtlich ist der Barkeeper auch auf Brads Seite, dachte Jeremy.
Doch das war nicht jeder. Das wurde sofort deutlich. Drei Frauen und zwei Männer saßen in der Nähe, und als er und Brad in die Nische schlüpften, bemerkte er, wie eine der Frauen die andere anstieß und ihr etwas zuflüsterte, während sie Jeremy anstarrte. Die zweite Frau schauderte sichtlich.
„Gott sei Dank bist du hier“, sagte Brad.
„Ich tue alles Menschenmögliche, um zu helfen“, versicherte Jeremy ihm. „Das weißt du. Noch immer nichts?“
„Wenn ich irgendetwas gehört hätte“, sagte Brad bedrückt, „würde die Welt es wissen.“ Er stöhnte. „Um die Wahrheit zu sagen, rechne ich jeden Moment damit, dass mir jemand die Handschellen anlegt.“
Jeremy schüttelte den Kopf. „Brad, niemand kann dich ohne Beweise verhaften, und es gibt keinen Beweis, weil du Mary niemals etwas angetan hättest. Der Punkt ist, dass niemand sich einfach in Luft auflöst. Also wird es irgendwo Beweise für irgendwas geben. Wir müssen sie nur aufspüren.“
„Weißt du, wie oft ich jeden einzelnen Schritt an diesem Tag durchgegangen bin?“, fragte Brad.
„Das spielt keine Rolle. Wir werden es noch einmal tun“, erwiderte Jeremy.
Brad nickte niedergeschlagen.
„Ich habe solche Angst.“
Das war eindeutig die Wahrheit. Seine Finger zitterten, alser sein Glas erhob. „Letzte Nacht dachte ich … nur eine Sekunde lang …“
„Dachtest du was? Dass du sie gesehen hättest? Oder gehört? Was?“
Brad schüttelte reuevoll den Kopf. „Ich dachte, sie ruft mich auf dem Handy an. Doch es war nicht sie, sondern ihre Mutter. Sie weinte und bettelte, ich möge ihnen Mary wiedergeben. Ich glaube, sie hatte getrunken. Dann kam Marys Vater an den Apparat und sagte, er würde mich umbringen.“
„Er wird dich nicht umbringen.“
Brad ignorierte den Kommentar und fuhr fort. „Er hält sie für tot. Ich kann das nicht.“ Er zögerte und sah Jeremy an. Seine Augen wirkten glasig, als ob er vor diesem Bourbon schon ein paar andere getrunken hätte. „Sie ist nicht tot, Jeremy. Ich glaube, das würde ich spüren. Ich weiß, dass das dumm klingt, aber ich glaube wirklich, dass ich es spüren würde. Aber sie ist … sie ist in Gefahr. Wenn wir sie nicht bald finden, wird sie tot sein. Oh Gott.“ Der Bourbon schwappte fast über, als er das Glas diesmal nahm und die Hälfte in einem Schluck hinunterschüttete. „Jeremy, wir sind auf den Friedhof gegangen, und dann ist Mary verschwunden. Das war alles.“
„Brad, es war Halloween. Dutzende von Menschen waren in der Nähe. Jemand muss etwas gesehen haben. Wir haben die Person nur noch nicht gefunden.“
Brad fuhr fort, als ob er ihn nicht gehört hätte. „Jetzt weiß die ganze Welt, dass wir Probleme hatten und gerade erst wieder zusammengekommen waren. In den
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