Erntemord
nachdem ihr Begehren gestillt war, für einige Sekunden festhielt, als wäre sie das kostbarste Wesen auf Erden. So hielt er sie jetzt und lachte, als er sich umschaute und das Chaos betrachtete, das sie in ihrem Taumel zur Couch hinterlassen hatten.
Er löschte die Lichter, während sie die Kleidungsstücke einsammelte. Dann gingen sie nach oben, wo sie sich erneutliebten. Als sie später still und ineinander verschlungen dalagen und der Schlaf sie zu übermannen drohte, blinzelte sie in schneller Folge, um wach zu bleiben.
Sie fürchtete den Schlaf. Fürchtete zu träumen.
Natürlich musste sie irgendwann schlafen. Das wusste sie. Dennoch kämpfte sie stundenlang dagegen an, bis der unausweichliche Schlaf gewann.
Als sie erwachte, lag es nicht an einem Albtraum.
Etwas in dem Zimmer hatte sie geweckt, und sie wusste nicht, was.
Das kleine Kolonialhaus mit seinen viktorianischen Verzierungen war sehr charmant. Sie hatte es noch nicht vollständig gesehen, doch das Bett war angenehm, nicht zu hart, nicht zu weich, und die schwere Bettdecke war wunderbar kuschelig. Die alten Mahagoni-Möbel waren zu einem warmen, einladenden Hellbraun verblasst. Was also beunruhigte sie?
Sie war sicher, dass Jeremy die Tür hinter ihnen abgeschlossen hatte. Er war ein ehemaliger Cop. In der Beziehung war er vorsichtig.
Doch sie hatte das Gefühl, als ob noch jemand bei ihnen wäre.
Sie starrte an die Decke, weil sie Angst hatte, woanders hinzusehen, und tastete mit der Hand nach Jeremy. Sie merkte, dass sie allein im Bett lag.
Wo war er?
Dann hörte sie ihn. Er sagte etwas, doch sie war nicht sicher, was.
Sie rappelte sich zum Sitzen auf, während sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
Er stand am Fußende und hatte den einen Arm ausgestreckt, als legte er ihn jemandem auf die Schulter. Doch da war niemand. Wieder sagte er etwas, leise und beruhigend. „Es kommt alles in Ordnung. Ich werde dich nicht verlassen. Du wirst wieder ganz in Ordnung kommen.“Sie starrte ihn an, starr vor Angst. Es war niemand mit ihnen im Raum, Jeremy sprach mit der Luft.
Und doch …
Eine Gänsehaut erfasste sie. Ihr war eiskalt.
Nein. Die Luft war eiskalt. Frostig.
Das bilde ich mir ein, sagte sie sich. Es war Herbst, und zweifellos war die Temperatur draußen gefallen, während die Heizung im Haus vermutlich noch nicht angestellt war, aber es war unmöglich, dass hier drin Minustemperaturen herrschten.
Sie griff nach den Decken und fragte sich, ob sie ihn ansprechen sollte, ihn aufschrecken sollte aus welchem Szenario auch immer.
Schließlich fand sie den Mut, etwas zu sagen.
„Jeremy?“
Er schien sie nicht zu hören. Aber schließlich hatte sie kaum ein Flüstern herausgebracht.
Er lächelte sanft, während er auf seinen imaginären Freund hinuntersah. „Es ist in Ordnung, Kumpel, ich bin hier. Ich sagte dir doch, dass ich dich nicht loslassen werde, dass ich bei dir bleibe bis zum Ende.“
„Jeremy!“
Dieses Mal sagte sie seinen Namen lauter als beabsichtigt.
Vielleicht weil sie so verschreckt war von der Kälte, die ihr bis ins Mark fuhr.
Sein Arm fiel herab, und er wandte sich ihr zu. Er blinzelte und lächelte.
„Geht es dir gut?“, fragte er.
„Mir geht’s gut“, erwiderte sie rasch. „Aber du … duwarst …“
Er ging zurück ins Bett und beugte sich vielsagend über sie. „Ich war …“
Mit gerunzelter Stirn verstummte er.
„Jeremy, du warst …“
„Ich habe dich aufgeweckt, nicht wahr? Es tut mir leid. I chschätze, ich bin aufgestanden, um etwas zu trinken. Ich kann mich nie an die Heizungsluft hier oben gewöhnen. Sie macht mich immer durstig“, sagte er.
Sie begriff, dass er keine Erinnerung daran hatte, dass er am Fußende gestanden und mit jemandem gesprochen hatte, der nicht da war.
„Verdammt, bist du kalt“, sagte er plötzlich, erhob sich von ihr und zog sie eng an sich. „Eine aus dem Norden“, neckte er sie.
„Es … geht mir gut. Wirklich.“ Dankbar für seine Wärme, schmiegte sie sich an ihn. Sie wusste, dass es ihr nicht gut ging. Sie fror noch immer. Es dauerte viele Minuten, bis das Frösteln nachließ. Die ganze Zeit hielt er sie fest an sich gedrückt.
„Träumst du nachts?“, fragte sie ihn schließlich.
Seine Hände, die ihren Rücken liebkosten, hielten inne.
„Jedermann träumt“, erwiderte er.
„Sicher. Erinnerst du dich manchmal an deine Träume?“ „Ja, manchmal. Jeder tut das.“ Er löste sich von ihr, stand auf und griff nach seinem
Weitere Kostenlose Bücher