Erntemord
Telefon.
Zu seinem Unmut bemerkte er, dass Joes Worte ihn unruhig gemacht hatten.
Doch Rowenna meldete sich beim zweiten Klingeln. „Jeremy?“
„Ja, ich bin’s. Wo bist du?“
„Beim Lunch mit meinem Freund Dan vom Historischen Museum. Ich war den ganzen Morgen dort und habe alles Mögliche herausgefunden.“
„Ach ja?“
„Jeremy, jahrhundertelang wurden Männer verhaftet, weil sie angeblich der Schnitter waren.“
„Nun, ich weiß nicht, wer der Schnitter ist, doch ich weiß, dass zwanzig Menschen als Hexen oder Hexer hingerichtet wurden, und keiner von ihnen war es“, erwiderte er. „Ich sehe nicht, was die Vergangenheit mit der heutigen Leiche im Feld zu tun hat.“
„Der Schnitter ist eine örtliche Legende – ich erzähle dir später von ihm. Aber ich glaube, unser Täter ist verrückt und denkt, dass er die Wiedergeburt des Schnitters ist oder so etwas“, sagte sie.
„Na ja, unser Täter ist auf die eine oder andere Art definitiv verrückt. So wie die Leiche herausgeputzt war, wette ich darauf, dass er die Gegend und ihre Legenden in- und auswendig kennt.“
„Du musst dir die Recherchen wirklich ansehen“, sagte Rowenna. „Ehrlich, ich bin sicher, dass ich da einer Sache auf der Spur bin.“
„Selbst wenn das der Fall sein sollte“, sagte Jeremy, „ist er dennoch aus Fleisch und Blut, sehr gefährlich – und irgendwo da draußen.“ Er stand unwillkürlich auf. „Wo bist du genau? Ich komme dort hin.“
Sie gab ihm die Adresse einer kleinen Sushi-Bar jenseits der Hauptstraße. Es war nah genug, dass er laufen konnte. Er nahm die Abkürzung durch die Fußgängerzone und sah sichdie Stelle an, wo Damien sein Zelt aufgestellt hatte. Angenommen, er war derjenige, der Mary entführt hatte, wie hatte er es abgebaut? Irgendwie musste er seinen Laden geschlossen und sein Zelt verstaut haben, bevor er Mary draußen auf dem Friedhof wegzauberte. Laut Brad war es dort menschenleer gewesen, was bedeutete, dass niemand etwas beobachtet hatte.
Als er an den Geschäften vorbeiging, bemerkte er Rowennas Freunde Adam und Eve Llewellyn, die das Schaufenster umdekorierten. Sie schienen sich zu streiten, während sie glänzenden purpurroten Stoff ausbreiteten, um welche Waren auch immer darauf zu präsentieren. Eve blickte scheinbar instinktiv auf und erkannte ihn. Der düstere Gesichtsausdruck verschwand, als habe er nie existiert. Sie lächelte breit und winkte, dann stieß sie Adam den Ellbogen in die Seite, der daraufhin ebenfalls lächelte und winkte. Das ist interessant, dachte Jeremy. Adam hatte ihn nicht gesehen und weiter gestritten. Die Anspannung in seinen Gesichtszügen verriet seinen Ärger. Aber genau wie Eve zauberte er sofort ein Lächeln auf sein Gesicht und winkte, als sei er überglücklich.
Da es keine Alternative gab, lächelte Jeremy auch und winkte zurück.
Eve stieg aus dem Schaufenster und erreichte die Tür, bevor er weitergehen konnte.
„Wo ist Rowenna?“, fragte sie.
„Beim Lunch mit David“, sagte er.
„Lunch? Wo?“, fragte Eve.
„Irgendeine Sushi-Bar jenseits der Hauptstraße.“
„Asaki“, sagte Eve wissend. „Warten Sie auf mich. Ich sterbe vor Hunger und sage Adam nur, dass er die Stellung halten soll.“
Bevor er etwas erwidern konnte, eilte sie zurück in den Laden.
Durch das Fenster sah er Adam finster dreinschauen und etwas entgegnen.
Eve ignorierte es und kam herausgelaufen. Sie trug ein langes schwarzes Cape und lächelte, als hätte sie keinerlei Sorgen.
Ihm schien es, dass sie allzu sehr lächelte.
„Gehen wir?“ Sie hängte sich bei ihm ein. „Mögen Sie Sushi?“, fragte sie fröhlich.
„Sicher. Ich mag fast alles. Allerdings habe ich schon gegessen. Ich will Rowenna nur abholen“, sagte er. „Sie war drüben im Museum und hat etwas recherchiert über den Schnitter.“
Eve lachte, was ihm ebenso bemüht schien wie ihr Lächeln. „Nun, ich bin sicher, sie freut sich, Sie zu sehen. Dan ist ein netter Kerl, aber er kann ein wenig düster sein. Sie haben vermutlich den ganzen Morgen über ihre Nasen tief in alte Bücher gesteckt. Wie sie glauben können, dass ein Blick in die Vergangenheit bei der Aufklärung eines heutigen Mordes helfen kann …“ Ihre Worte verklangen, und sie hielt schaudernd inne. „Weiß man schon, wer die Frau ist oder woher sie kam?“
„Die Ermittlungen laufen noch“, sagte Jeremy. Aber ich habe eine ziemlich gute Ahnung, fügte er innerlich hinzu.
Eve schauderte erneut und verstärkte den Griff
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