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Ernten und Sterben (German Edition)

Ernten und Sterben (German Edition)

Titel: Ernten und Sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter M Hetzel
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entgegenschallte.
    »Fehlt ja nur noch ›Hände hoch‹«, sagt Egon-Erwin und blieb demonstrativ mit erhobenen Händen stehen.
    »Was haben Sie hier zu suchen?«, fragte ihn der Polizist wie ein Cowboy, es fehlte nur noch der Revolver Peacemaker.
    »Seltene Kräuter. Die finden sich am besten in verwilderten Gärten. Königswurz, Orangenverbene, Kolibri-Salbei, Purpur-Melisse, die hat übrigens ein wunderbares Zitronenaroma«, sagte Egon-Erwin mit dem Stolz eines erfahrenen Sammlers. »Ich arbeite für Anna Christensen, die gute Seele der ›Heideblume‹ und Inhaberin eines Versandhandels. Bis nach Japan verschickt sie unsere getrockneten Schätze.«
    »Hier wird nichts eingesammelt. Das ist ein Tatort, und Sie wissen das genau, denn ich kann lesen. Sie sind der Reporter von der Landeszeitung. Hab Ihr Foto am Ende des Artikels gesehen. Da hatten Sie aber nicht so eine alberne Brille auf.« Der Polizist drehte sich um und ging zurück zum Haus.
    So mühsam hatte sich Egon-Erwin die Sache nicht vorgestellt. Er verließ das Grundstück und überlegte fieberhaft, wie er doch noch zum Tatort gelangen könnte. Auf dem Feldweg zog er sein Smartphone heraus und sah sich die Gegend auf Google Maps an. Sie glich einem Puzzle. Nirgends gerade Grundstücksgrenzen, sondern ein Wirrwarr an Einbuchtungen und runden Schlenkern. Als hätte ein Waldorfschüler sich hier ausgetobt, dachte Egon-Erwin. Er zoomte sich näher an seinen Standort heran und begann seinen virtuellen Streifzug.
    Wenn er sich auf das Nachbargrundstück durchschlagen könnte, käme er ganz nahe an das Schulgebäude heran. Doch die Rückseite des Nachbargrundstücks glich einer Festung aus Sichtschutzzäunen, die gefühlte fünf Meter hoch waren. Egon-Erwin musste zweimal Anlauf nehmen, dann schaffte er es, sich an der obersten Kante festzuhalten. Aber er konnte den Schwung nicht mitnehmen, um auch noch ein Bein über die Kante zu schlagen. Er hing am Zaun wie früher im Sportunterricht am Reck: wie ein nasser Sack.
    Lass dich nicht hängen, dachte er noch, dann begann sich der Zaun wie von selbst zu bewegen. Erst ganz sachte gehorchte das Holz der Schwerkraft, dann knackte es vernehmlich in den Stützbalken.
    Ein Glück, dass ich noch eine Currywurst gegessen hab, dachte Egon-Erwin, der sich langsam, aber sicher in die Waagerechte bewegte. Mit einem lauten Krachen landete er auf einem gepflegten Rasenstück und duckte sich instinktiv. Er hob den Kopf und blickte in blutunterlaufene Hundeaugen, die zu einer reinrassigen Bordeauxdogge gehörten. Fünfzig Kilo reines Kampfgewicht, furchtlos und von Grund auf böse. Egon-Erwin hatte eine ausgewachsene Hundephobie und selbst vor einem Rauhaardackel Angst. Sabbernd öffnete sich das tierische Maul, und heraus schnellte eine klatschnasse Zunge.
    Das war das Ende. Egon-Erwin verfluchte seinen Ehrgeiz. Niemand pfiff den Hund zurück oder gab irgendwelche Kommandos. Herrchen und Frauchen waren wohl arbeiten.
    »Sei ein braves Hundchen und geh spielen«, flüsterte Egon-Erwin und war nicht überzeugt, dass der Köter ihn überhaupt verstanden hatte. Der fing an, Egon-Erwins Gesicht einzuspeicheln, und arbeitete sich bis zu den Händen hinunter. An der rechten grunzte er leise und leckte die Fingerspitzen, bis Egon-Erwin fast ins Koma fiel, weil es enorm kitzelte.
    Es musste der Geruch der Currywurst sein, den die Dogge so anziehend fand. Egon-Erwin richtete sich langsam auf. Der Hund wich nicht von seiner Seite, bis er die Stelle erreicht hatte, die am nächsten an der Schule lag und nur durch einen natürlich begrünten Graben getrennt war. Egon-Erwin nahm Anlauf und sprang hinüber, um mit beiden Füßen in frischer Hundescheiße zu landen. Die fiel auf seinen braunen Biker-Boots nicht weiter auf, und die Dogge schien hocherfreut, als sie nun seine Stiefel ablecken konnte.
    Hunde waren einfach Schweine. Egon-Erwin lächelte nachsichtig zu dem Tier hinunter. Weiter ging es in gebückter Haltung bis zu der Hauswand, die ihm als Deckung gedient hatte, als er den kotzenden Polizisten auf der Leiter fotografiert hatte. Diesmal bewachte nur ein Beamter die Tür zur Küche, die sich wohl nicht abschließen ließ. Egon-Erwin blieb nichts anderes übrig, als auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Vielleicht musste der Bulle ja mal strullen.
    Egon-Erwin erwischte sich dabei, wie er der Dogge freundschaftlich den Kopf tätschelte. Es dauerte nicht lange, bis das Stillleben in Bewegung geriet. Drei Feldhasen lieferten sich

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