Ernten und Sterben (German Edition)
roher Gewalt. Für den Fall der Fälle hatte er einen anonymen Mail-Account bei einem großen Provider in den USA angelegt.
Gerade als er den Send-Button drückte, kam vorn im Haus Hektik auf. Offenbar waren es Kommandos des SEK , die sich Befehlskürzel zuriefen und durch das Gebäude polterten. Egon-Erwin bekam es jetzt doch mit der Angst zu tun. Hektisch suchte er nach einem Rest Leinwand und Gaffer-Tape. Mit zitternden Händen wickelte er sein Telefon darin ein. Mittlerweile hatte die Einheit die Küche erreicht und trampelte mit Springerstiefeln durch den Garten in Richtung Atelier.
Geistesgegenwärtig versenkte Egon-Erwin sein iPhone in einen Eimer mit schwarzer Farbe und hoffte inständig, dass die Funkverbindung nicht abbrach. Genau in diesem Moment wurde die Ateliertür mit einem Rammbock aus den Angeln gehoben. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf.
»Guten Tag!«, sagte er noch laut und freundlich.
Doch dann erfolgte der Zugriff mit voller Wucht. Drei schwarz gekleidete SEK -Kämpfer sprangen ihn an und brachten ihn zu Fall. Innerhalb von wenigen Sekunden war Egon-Erwin mit Kabelbinder zu einem handlichen Paket verschnürt.
»Guten Tag, Herr Wutke! Sie sind verhaftet und werden jetzt über Ihre Rechte belehrt«, sagten eine weibliche und eine männliche Stimme unisono.
Egon-Erwin hob langsam den Blick. Müller Eins und Müller Zwo standen an seinen Füßen und feixten ihn an. Wie aus einer fernen Galaxie tönte ein schwaches Ding-Dong aus dem Farbeimer. Egon-Erwin konnte sich ein schallendes Lachen nicht verkneifen. Zwei SEK ler zogen ihm einen schwarzen Stoffsack über den Kopf und schleiften ihn wie einen nassen Sack aus dem Haus.
Langsam, dachte Egon-Erwin, wurde dieses Herumgehänge lästig. Dem wilden Klicken nach zu urteilen, löste sein Anblick auf der Straße offenbar ein Blitzlichtgewitter aus. Müller Eins und Müller Zwo schmetterten jede Frage mit ihren Dienstmarken ab, während Egon-Erwin in einen Mercedes der E-Klasse geschubst wurde. Zumindest schloss er das aus dem sanft brummenden Motorengeräusch.
Der Einsatzwagen verließ den Tatort mit einem Kavalierstart, der Michael Schumacher die Tränen in die Augen getrieben hätte.
vier
»Kein Wunder, dass wir gestern nichts von ihm gehört haben.« Albertine reichte Hubertus die Landeszeitung.
Die Überschrift lautete: »Angriff auf die Pressefreiheit«, und den Aufmacher der ersten Seite beherrschten zwei großformatige Fotos. Links war zu sehen, wie Egon-Erwin Wutke mit einem schwarzen Sack über dem Kopf aus dem Haus gezerrt wurde, rechts prangte eine stark retuschierte Porträtaufnahme des Helden.
»Unser rasender Reporter hängt da in den Armen der Staatsmacht wie ein nasser Sack«, sagte Albertine, die darauf verzichtete, den Leitartikel zu lesen. Sie kannte den Redaktionsleiter als Patienten und wusste, dass dessen Stimmungslage abrupt zwischen cholerisch und wehleidig wechseln konnte. Im Lokalteil stand nichts weiter über den Einsatz des SEK in Klein-Büchsen, ein deutliches Indiz dafür, dass die Landeszeitung nichts wusste oder nichts herausbekommen hatte.
»Mich würde ja viel mehr interessieren, was Egon-Erwin in der Schule gesucht hat. Es war doch klar, dass die ihn schnappen werden. Er muss eine heiße Spur gehabt haben«, sagte Hubertus. »Dieser Kommentator hat ja nicht mehr alle Tassen im Schrank. Was faselt der von der UN -Menschenrechtskonvention, den Reportern ohne Grenzen, dem Deutschen Journalisten-Verband und dem Netzwerk Recherche? Der bringt ja alles durcheinander. Fehlten nur noch Günther Jauch und Thomas Gottschalk als Speerspitzen der Demokratie. Ach herrje, warum muss ich immer recht behalten? Hier steht es schwarz auf weiß. Dieser Schmierfink scheint ja voll auf Droge zu sein, und Egon-Erwin wird nie mehr freikommen. Dieser Artikel ist reinste Propaganda, gespickt mit Unterstellungen und Drohungen.« Hubertus legte genervt die Zeitung zur Seite.
»Ich werde gleich meinen Freund Ferdinand von Scherz anrufen. Er vertritt alle Medienkonzerne in Hamburg und hat Erfahrung mit kniffligen Fällen.« Albertine verließ den Raum.
»Noch etwas Matcha-Tee? Geerntet und verarbeitet von dem ehrenwerten Herrn Okuda«, sagte Clementine.
»Wurde dieses Gewächs auch drei Wochen vor der Ernte beschattet? Wurden nicht nur die Blattknospen und die ersten zwei bis drei jungen Blätter, sondern vier bis fünf der jungen Blätter verwendet? Matcha von Herrn Uji Hikari ist mir eigentlich lieber, aber eben besser
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