Ernten und Sterben (German Edition)
diesem Hering, diesem bekannten Künstler, der an Aids gestorben ist«, sagte Müller Zwo.
»Klappe halten. Was sagt der Profiler zu dem Fall? Kommt dieser Journalist als Täter oder Komplize in Frage?«
Müller Zwo schlug die Akte mit dem Gutachten des Fallanalysten auf. In seinem ernsten, aber etwas hektischen Eifer wirkte er wie eine Mischung aus Dr. House und Monk. »Der Mann ist vermutlich ein Einheimischer zwischen Mitte zwanzig und Mitte vierzig. Seine Taten könnten einen jahreszeitlichen Aspekt haben. Vielleicht haben die Morde mit einem Bezug zu dem ihm bekannten Gelände zu tun oder mit einer Phantasie oder einem Ritual. Er kennt sein Terrain ganz genau. Vermutlich hat er in Klein-Büchsen gewohnt oder wohnt immer noch dort.«
Müller Eins schnappte sich die Akte und blätterte darin herum. »Hm, hm. Der Täter gehört zu den organisierten Killern, schreibt der Profiler hier. Na ja. Grundsätzlich unterteilt man Serienmörder in organisierte und desorganisierte Täter. Letztere handeln impulsiv und aus der Situation heraus. Die sind relativ leicht zu fassen. Der organisierte Typ dagegen handelt nicht aus physischem Überdruck, sondern aus Freude am Töten – eben organisiert, ruhig und mit Bedacht.«
»Also wie der Long-Island-Killer«, sagte Zwo.
»Klappe halten«, sagte Eins und ließ den Aktendeckel mit einem dumpfen Klatschen zufallen. »Was hat die Spurensicherung gefunden?«
»Köpfe«, sagte Zwo und biss sich im nächsten Moment auf die Zunge. Eins hatte dieses gefährliche Blitzen in den Augen. Außerdem zuckte ihr linkes Lid, wie immer, wenn der Stress zu groß wurde. »Also, es war wohl leicht, die großen Körperteile zuzuordnen. Aber die Spurenlage ist kompliziert, sagt die Spusi. Die Opfer haben in ihrem Schulgebäude eine Art offenes Haus geführt. In der Küche haben wir Spuren von um die hundert Einzelpersonen gefunden und im Atelier noch viel mehr. Ist ja auch kein Wunder bei den vielen Ausstellungseröffnungen. Was fehlt, ist der kleinste gemeinsame Nenner, zum Beispiel eine DNA -Spur, die überall auftaucht, auch und besonders bei den ersten beiden Leichen. Bis jetzt Fehlanzeige. Das kann also dauern.«
»Wie lange?«, fragte Müller Eins.
»Ich kann beim besten Willen keine Prognose abgeben. Wenn wir einen DNA -Test im ganzen Dorf durchführen lassen, könnte schneller ein Ergebnis auf dem Tisch liegen.«
Niemand im Raum wusste, dass die anwesende Master-Studentin für Internationale Kriminologie aus Groß-Büchsen stammte.
Die Diskussion war beendet, bevor sie richtig begonnen hatte. Niemand fühlte sich für den Fall wirklich zuständig, seit Kommissar Blaumilch zur Kur nach Bad Bevensen verschwunden war.
Langsam wurde Albertine ungeduldig. Sie blickte auf die Uhr, dann drehte sie sich um die eigene Achse. Aber von Gunnar war nichts zu sehen. Hubertus nahm die Verspätung gelassen zur Kenntnis.
»Wahrscheinlich hat der gar keine Uhr und richtet sich nach dem Stand der Sonne«, sagte Hubertus.
»Na klar, und bei Bewölkung schaltet er seinen Röntgenblick ein. Manchmal scheinst du nicht in unserer Welt zu leben«, entgegnete Albertine genervt, die den Treffpunkt verließ, um kurz mit Bäuerin Schlüter zu sprechen, die von Bauer Strunk begleitet wurde.
»Keiner hat ihn gesehen«, sagte sie zu Hubertus, der immer gelangweilter wirkte.
Albertine versuchte ihr Glück noch bei anderen Dorfbewohnern und begann dann, die nahe liegenden Wohnhäuser abzugrasen.
»Er ist buchstäblich vom Erdboden verschwunden. Das ist doch seltsam, oder?«, sagte sie zu Hubertus, der sich den Bauch hielt.
»Könnten wir nicht bei dir einen kleinen Imbiss nehmen? Ich bekomme langsam Hunger, und Durst habe ich schon länger«, sagte Hubertus mit kleinlauter Stimme.
»Du bist ja schlimmer als jedes Kleinkind. Musst du auch noch Pipi machen? Soll ich dir die Hose dabei festhalten«, meckerte Albertine und ging nach Hause, wo sie schon erwartet wurde.
»In Klein-Büchsen scheint sich die Dorfgemeinschaft langsam in Luft aufzulösen«, sagt Egon-Erwin.
»Nur wegen diesem Test, von dem niemand weiß, ob er tatsächlich stattfindet?« Hubertus wischte Staub vom Bücherregal.
»Wegen des Wetters! Meine Güte, bist du schwer von Begriff. Man hält uns für die Mörder, obwohl das ja keinen Sinn macht, weil es unlogisch ist. Mich würde erst einmal interessieren, warum Herr Wutke den Tatort von Gerda und Siegfried Aurich durchsucht hat«, sagte Albertine.
»Das können Sie alles morgen in der
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