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Ernten und Sterben (German Edition)

Ernten und Sterben (German Edition)

Titel: Ernten und Sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter M Hetzel
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beklagte.
    Sie wollte etwas sagen, aber Hubertus hatte wohl noch vor ihr den Ernst der Lage erkannt und legte einen Zeigefinger auf die Lippen. Sie blieben im Eingangstor stehen und sahen im Dämmerlicht des Stalls auf der gegenüberliegenden Seite eine weiße Fläche an der dunklen Wand. Egon-Erwin stand fünf Meter davor. Er wechselte in aller Seelenruhe die Objektive seiner Kamera und montierte den Blitz.
    Es herrschte die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Dann fing Egon-Erwin an zu fotografieren, und jeder Blitz löste Entrüstung aus. Albertine nahm die Brille ab und rieb sich kurz die Augen. Die rasche Folge der Blitzlichter erinnerte sie an ein Stroboskop, und so sah sie in kurzen Sequenzen jene bedauernswerte Holsteiner Kuh, die gekreuzigt an der Stallwand hing und der ein großes gotische H in den Körper geschnitten worden war.
    »Ab sofort gibt es zu Hause nur noch Lamm- oder Schweinefleisch«, sagte Albertine und ließ auf der Suche nach dem Bürgermeister den Blick schweifen. Auf Volksfesten fand man ihn mit Sicherheit immer an der Würstchenbude. Aber heute stand er heftig gestikulierend mit den Unternehmern des Dorfes zusammen – Sören Severin, Anna Christensen, Ole Fuhlendorf, dem Inhaber des »Bärenkrugs«, und Bauer Strunk. Der Kreistagsabgeordnete Matze Hansen befand sich gerade im Anmarsch auf die Gruppe.
    »Wenn das so weitergeht, bleiben nicht nur die Tagestouristen aus. Dann ziehen auch noch die Städter wieder zurück in die Stadt, und wir fallen zurück in die Steinzeit, als noch ›Pattex-Heide‹ das Land regiert hat. Die schreibt jetzt Krimis, was für ein Abstieg«, sagte Bürgermeister Focken gerade.
    »Ich finde, jetzt übertreibst du ein wenig«, sagte Hansen, der etwas außer Atem war.
    »Quatsch, die hatte eindeutig einen Frauen-Bonus, das kann dir jeder Bundespolitiker bestätigen. Wir müssen den Fall selbst lösen. Auf die Polizei ist kein Verlass, seit Blaumilch in Kur ist und dieses talentfreie Duo ermittelt. Und …« Focken brach schlagartig ab, als er Albertine und Hubertus sah, die sich langsam näherten.
    Focken zuckte mit den Schultern. »Ich sage ja immer, dass man die Wurzel allen Übels mit Stiel und Strunk roden muss.«
    Er bemerkte, dass Bauer Strunk keinen Spaß verstand, weil sich seine Narbe auf der Stirn rötlich färbte. Er wirkte wie ein Schnellkochtopf unter Hochdruck. Gleich würde aus seinen Segelohren Dampfwölkchen entweichen. Außerdem scharrte er mit seinen klobigen Schuhen der Größe neunundfünfzig wie ein notgeiler Hengst. Irgendwie wirkte alles animalisch an ihm.
    »Mieser Kalauer, ich weiß!« Fockens lahmer Versuch, das Gesagte zurückzunehmen, zeigte wenig Erfolg.
    Focken wandte sich zu Albertine und Hubertus, die inzwischen die kleine Verschwörertruppe erreicht hatten. »Hat Ihnen eigentlich schon einmal jemand gesagt, dass Sie hier unerwünscht sind?«
    »Von Ihnen höre ich das zum ersten Mal, Focken. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als Sie auf allen vieren in meine Praxis gekrochen sind und der Meinung waren, der Blitz hätte Sie getroffen. Sie haben gewinselt wie ein Straßenköter, dabei musste ich Sie nur einmal einrenken, und alles war gut. Sie haben mir dann noch einen Heiratsantrag gemacht, Blumen und eine Schachtel ›Mon Chéri‹ geschickt, die nicht einmal obdachlose Alkoholiker gern essen.« Albertine warf Focken ihr besonders giftiges Lächeln zu. »Ja, ja, Sie sind schon ein wahrer Held und deshalb zu Recht Anführer dieses Dorfes, das mich ein wenig an die Asterix-und-Obelix-Comics erinnert. Wie Ihr Kollege Majestix haben Sie nur Angst, dass Ihnen eines Tages der Himmel auf den Kopf fallen könnte. Stimmt’s oder hab ich recht, Schnäuzelchen?«
    Sören grinste und dachte an die vielen schönen Stunden als kleiner Junge im Land von Asterix und Obelix. Hansen hatte sein parlamentarisches Pokerface aufgesetzt.
    »Sie bringen Unglück über unser Dorf. Das wissen Sie genau, Sie alte Übelkrähe. Ein Schuss aus meinem Gewehr, und Sie sind Geschichte. Kleiner Scherz, glotzen Sie nicht so schreckhaft, meine Liebe. Aber so weit wird es gar nicht kommen. Sie ziehen einfach dahin zurück, wo Sie herkommen, nehmen Ihren affektierten Liebhaber mit, und alles wird gut.« Bürgermeister Focken redete offenbar, so ruhig er konnte, doch dabei wurde er so laut, dass alle Anwesenden sich zu ihnen umdrehten. Hansen fand den Bürgermeister eindeutig zu undiplomatisch. Sören blieb das Lachen im Halse stecken, und er dachte an

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