Ernten und Sterben (German Edition)
Bürgermeister handeln, und der bewohnt ein steinaltes Gebäude, das schon seit Generationen im Besitz der Familie ist. Das Haus hat bestimmt so ’ne Art Folterkeller und garantiert keinen Partyraum. Schließlich ist Focken so geizig wie Dagobert Duck und badet jeden Morgen in seinem Geldspeicher.«
»Nur arbeitet er doch immer zu Hause, weil er dort auch sein Büro hat«, sagte Hubertus. »Und nachts sollte man in Klein-Büchsen nichts mehr riskieren. Die sind hier alle bis unter die Zähne bewaffnet.«
»Das ist doch Quatsch. Die Dörfler haben doch nur Waffen zu Hause, weil achtzig Prozent im Schützenverein sind. Das ist Sport und Volksbelustigung. Schließlich sind wir hier nicht in Amerika. Morgen um zwei Uhr mittags solltet ihr es versuchen.« Egon-Erwin blickte sich in der kleinen Runde um, aber niemand schien von seinen Neuigkeiten gehört zu haben.
»Warum gerade morgen um diese Uhrzeit? Hast du eine Kristallkugel befragt«, fragte dann doch Albertine.
»Nein.« Egon-Erwin grinste. »Aber ein Vögelchen hat es mir zugezwitschert.«
»Was findet denn um zwei Uhr statt?« Hubertus war wie immer ahnungslos.
»Die DNA -Untersuchung, an der das ganze Dorf teilnehmen muss.« Egon-Erwin kippte sich zufrieden den letzten Rest Vanillesoße auf die rote Grütze.
»Morgen dürfen wir keine Fehler machen, sonst werden wir zum Gespött der Kollegen«, sagte Müller Eins.
»Wenn wir das jetzt nicht eh schon sind«, sagte Müller Zwo und kassierte darauf prompt ein »Klappe halten!« von seiner Chefin.
»Wir müssen sicherstellen, dass niemand das Dorf verlässt oder versucht reinzukommen. Die neunhundert Einwohner werden alle getestet. Auch die Kleinkinder und die Alten. Wir haben fünfzig Einsatzkräfte, und das Innenministerium stellt uns noch einmal hundert Kollegen zur Verfügung. Unser SEK wird die ›Heideblume‹ abschirmen, denn im Gasthof werden die Proben genommen. Wir lassen uns alle Zeit der Welt, hoffen auf den Überraschungseffekt und darauf, dass der Killer nervös wird und seine Maske fallen lässt«, sagte Müller Eins. »Und noch etwas, und das ist viel wichtiger!«
Dreißig Augenpaare im Konferenzraum »Ostsee« waren auf die Kommissarin gerichtet.
»Wir haben einen Maulwurf unter uns. In Klein-Büchsen scheint man über jeden unserer Schritte informiert zu sein. Und damit weiß auch der Psychopath Bescheid. Sollte bei der DNA -Probe irgendetwas schiefgehen oder nur eine Person unentschuldigt fehlen, dann werde ich mich von meiner unangenehmen Seite zeigen und hart durchgreifen. Jeder von Ihnen kennt meine speziellen Verhörmethoden. Wenn ich mit dem Verräter fertig bin, wird er um Gnade winseln.«
»Hört, hört!«
»Ich will als Erster drankommen.«
»Gnade!«
»Winsel, winsel!«
»Klappe halten, und zwar alle! Müller Zwo, nehmen Sie sich in Acht, meine Geduld ist zu Ende, und zwar genau in dieser Sekunde!« Damit rauschte Müller Eins wie immer effektvoll aus dem Konferenzraum.
sieben
Es war High Noon, als auch der letzte Bewohner von Klein-Büchsen sich auf dem Dorfplatz einfand. In diesem Moment traf auch der Lautsprecherwagen der Polizei ein.
Die zwei Polizisten staunten nicht schlecht, als sie feststellen mussten, dass sie nichts mehr zu tun hatten. Sie parkten ihr Auto etwas abseits und mischten sich unter die neunhundert Bewohner, die gut gelaunt zusammenstanden, Bier und Biolimonade tranken und den Würsten aus der gekreuzigten Helga zusprachen.
Bauer Schlüter hatte Helga spendiert. Aus siebenhundertfünfzig Kilo Lebendgewicht war genug Grillgut für zwei Tage geworden, auch wenn die Steaks reichlich zäh waren. Die beiden Gastwirte Ole Fuhlendorf und Sören Severin hatten Erbsensuppe vorbereitet, die von der Freiwilligen Feuerwehr in einer Gulaschkanone ausgegeben wurde.
Albertine und Hubertus hatten gerade noch zwei Plätze in der »Heideblume« ergattert und sahen dem bunten Treiben mit nachsichtiger Belustigung zu, während Egon-Erwin eher gelangweilt seinem Job nachging, Fotos schoss und wahllos Bürger von Klein-Büchsen befragte.
»Nicht einmal der Bürgermeister ist ausfallend geworden, als er mich eben begrüßt hat«, sagte Albertine. »Ich könne ihn jederzeit anrufen, wenn ich Hilfe benötige, hat er gesagt. Ich glaube fast, Anna hat ihm was in die Suppe getan.«
»Nein, nein. Der Focken war schon immer ein gewiefter Taktiker. Wenn er heute einen offenen Streit riskiert, gerät er unweigerlich ins Visier der Polizei. Das kann sich morgen wieder
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