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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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die Organe entnommen. Er begann mit dem Öffnen der Brusthöhle und der Bauchhöhle. Während dieses Eingrif fes verließ ich den Raum. Ich wusste, dass ein Schlachtfest dagegen Kinderkram war. Sämtliche Organe wurden aus dem Gewebe geschnitten, entnommen und einzeln be gutachtet. Von einigen wurden Proben entnommen und mikroskopisch und mikrobiologisch untersucht. Noch heute tanzen mir ab und zu im Traum halbe Lungenflügel etwas vor. Es gibt nichts Ekligeres als Lungenflügel. Bei meinem ersten Besuch sagte Hingstenberg lapidar, dass das noch gar nichts wäre. Ich sollte erst mal die Lunge eines Kettenrauchers sehen.
    Ich war im Vorraum, als Hingstenberg den Schädel des Toten mit einer Elektrosäge spaltete und das Gehirn frei legte. Durch die Tür konnte ich seine beschreibende Stim me hören und das war mehr als genug. Ich ging erst wieder zu ihm hinein, als er den Kopf der Leiche in etwa wieder in die ursprüngliche Ausgangsform modelliert hatte.
    »Ah, Herr Palzki. Wieder zurück? Sie haben aber auch schon mal schon länger ausgehalten. Dabei ging doch alles sauber und schnell über die Bühne.«
    Zu keiner Antwort fähig, stand ich einfach nur da. Hingstenberg grinste und holte zum Abschluss das Lein tuch aus dem Regal, um die Leiche wieder abzudecken.
    »Der Todeszeitpunkt war ja bereits bekannt, noch genauer kann ich es nicht sagen. Todesursache war, wie ebenfalls recht naheliegend, ein Schlag mit einem dump fen Gegenstand auf die Schläfe. Vermutlich ein Hammer. Kleinstpartikel zur Tatwaffenbestimmung waren keine vorhanden. Ansonsten keine besonderen Beobachtun gen. Jedenfalls, wenn man davon absieht, dass er augen scheinlich keine schweren körperlichen Arbeiten gewohnt war.«
    »Also eindeutig kein Erntehelfer?«
    »Nein, das passt nicht. Eher kaufmännischer Ange stellter oder so.«
    Der Leichenzar fuhr nun Schablinski wieder in sein kühles Fach im Nebenraum. Anschließend reinigte er, zu mindest oberflächlich, die benutzten Gerätschaften.
    »Gehen Sie mal ein bisschen zur Seite, damit ich den Boden abspritzen kann.«
    Er drehte den Wasserhahn auf. Er kam mir vor wie je mand, der einfach nur seinen Rasen wässerte.
    »So, das hätten wir geschafft«, beendete er die nasse Angelegenheit. »Da komme ich sogar noch rechtzeitig zum Grillen nach Mainz.«
    Nachdem er seinen Kittel, Mundschutz und Handschu he ausgezogen hatte, schnappte er sich im Vorraum seine Tasche und ging mit mir aus dem Gebäude, als hätte er eben nur mal nach der Heizung geschaut.
    Er versprach mir, dass ich seinen Bericht bis Montag mittag vorab als Fax vorliegen hätte. Wir verabschiedeten uns und ich machte mich auf den Weg, meine Kinder zu suchen. Völlig unerwartet saßen beide immer noch im Wa gen und hörten friedlich Radio. Ich lobte beide und ver sprach ihnen eine Überraschung, von der ich noch nicht wusste, aus was sie bestehen könnte. Auf dem kürzesten Weg fuhren wir heim.
    Ich traute meinen Augen nicht. Während ich den Wa gen auslaufen ließ, um benzinsparend auf den Parkplatz zu rollen, bemerkte ich, dass Stefanies Opel den Platz bereits blockierte. Stefanie? Ich schaute in Richtung Haus und konnte gerade noch sehen, wie sie von innen die Eingangs tür zuzog. Klar, sie hatte natürlich auch einen Schlüssel für das Haus. Warum war sie nicht in Frankfurt? War was mit ihrer Mutter passiert?
    Ich parkte vor dem Haus der Nachbarn und jagte die Kinder aus dem Auto. Schlimmste Vorahnungen trieben mich zur Eile. Ich schloss die Tür auf und rief nach ihr.
    »Stefanie? Bist du da?«
    Ich hörte eine nicht gerade fröhlich klingende Stimme aus der Küche schallen.
    »Ja, ich bin eben gerade gekommen.«
    Schnell lief ich in die Küche.
    Dort stand Stefanie und betrachtete gerade die ver schmierten Reste unseres kalorienreichen Spezialfrüh stücks. Eben entdeckte sie in der Ecke neben den alten Zeitungen den Blumenkohl und den Kopfsalat.
    »Einen Blumenkohl hätte ich bei dir jetzt bestimmt nicht erwartet. Du weißt doch nicht mal, ob das grüne oder das weiße Teil essbar ist.«
    Ich konnte meine schlimmen Vorahnungen jetzt deuten. Sie betrafen mich. Mich allein.
    »Äh ja, ich kam heute Morgen nicht mehr zum Aufräu men. Setz dich doch. Soll ich dir einen Kaffee machen?«, fragte ich schnell und überaus freundlich, um weitere Nachforschungen zu unterbinden.
    Doch Stefanie ging erst gar nicht darauf ein.
    »Ich dachte, du wärst heute mit Paul und Melanie in Haßloch?«
    Ich schickte die Kinder hoch in ihre

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