Ernteopfer
aus runden und eckigen Spiralbogenlinien verziert, die sich wie Bänder um die Gefäße schlossen. Einem Hinweisschild entnahm ich, dass ein gewisser Friedrich Klopffleisch diese speziellen Muster im Jahre 1882 zur Definition der Band keramischen Kultur verwendete.
In diesem Moment sprach mich von hinten ein anderer Museumsbesucher an.
»Äh, entschuldigen Sie bitte. Ich habe gerade mitbe kommen, dass Sie sich für die Bandkeramik interessieren. Eventuell kann ich Ihnen da weiterhelfen.«
Als ich mich umdrehte, stand ein kleines Männlein, si cherlich seit geraumer Zeit im Rentenalter, vor mir. Seine Nickelbrille und seine überaus korrekte Anzugskleidung ließen ihn sehr wichtig erscheinen. Ein Professor, dachte ich mir. So musste ein Professor aussehen.
»Darf ich mich vorstellen?«, überbrückte mein grau haariges Gegenüber die entstandene Pause und verbeugte sich leicht.
»Mein Name ist Claudius von Balleton, ich bin emeri tierter Professor für Geschichte.«
Er reichte mir seine Hand.
Volltreffer, dachte ich mir, nahm seine Hand und schüt telte sie kräftig.
»Sie interessieren sich für diese Epoche? Sie müssen wis sen, die Bandkeramik ist eines meiner Spezialgebiete.«
»Das trifft sich ja vorzüglich«, entgegnete ich und stellte mich als Privatperson Reiner Palzki vor.
»Leider bin ich absolut kein Experte in diesen Dingen. Mit einem Austausch von Wissen kann ich Ihnen daher nicht dienen.«
Herr von Balleton grinste diskret vor sich hin. Trotzdem konnte ich deutlich seine überlappenden und nach vorne abstehenden Eckzähne im Oberkiefer erkennen.
»Das macht doch nichts. Was wollen Sie denn erfah ren? Es kommt nämlich nicht allzu häufig vor, dass sich Besucher hier in dieses Stockwerk verirren. Die meisten wissen ja nicht einmal, dass eine der ältesten bäuerlichen Kulturen der Jungsteinzeit so bezeichnet wird.«
»Im Prinzip wollte ich mir zunächst einen Überblick verschaffen. Ich weiß nicht mal, wann diese Epoche ge nau war.«
»Oh, wo fange ich da nur an? Selbstverständlich kann ich Ihnen da in der Schnelle nur einen kurzen Überblick verschaffen. Unten im Museumsshop können Sie aber nachher mein Buch zu diesem Thema kaufen, das ist sehr informativ und beschreibt alle größeren Funde.«
»Vielen Dank, gerne werde ich mir nachher Ihr Buch besorgen. Sind die Fundstücke hier in den Vitrinen alle aus dieser Region?«
»Nein, da muss ich Sie enttäuschen. Die Funde stammen aus dem Lahntal und sind etwa 7500 Jahre alt. Keramik aus dieser Epoche findet man hauptsächlich in Ungarn, Ru mänien, Österreich aber auch im Elsass und Lothringen. Keramikscherben sind aber nicht das Einzige, was diese Zeit zu bieten hat. Schauen Sie mal da drüben.«
Er zeigte auf einen kleinen Tisch, der in einer kleinen Mauernische stand.
»Das, was Sie dort sehen, ist ein Modell eines typischen Langhauses, so wie es damals gebaut wurde. Die Grundflä che konnte durchaus 40 mal 8 Meter erreichen und wurde durch jede Menge Holzpfosten gestützt.«
»Und wie hat man das herausgefunden?«, unterbrach ich ihn.
»Davon ist doch bestimmt nichts mehr übrig geblie ben.«
Da war wieder das für ihn typische Grinsen.
»Klar hat man noch kein Langhaus im Originalzu stand gefunden. Aber die zersetzten organischen Stoffe der Holzpfosten kann man noch im Boden nachweisen. Das ist heutzutage überhaupt kein Problem mehr. Übri gens haben damals schon ganze Familien in solchen Lang häusern gewohnt. Quasi ein Mehrgenerationenhaus.«
»Könnte es solche Siedlungen hier in der Rheinebene gegeben haben?«
Damit hoffte ich nun langsam, ein paar Antworten auf meine Fragen zu bekommen.
»Durchaus, die Rheinniederung eignete sich für den Ackerbau schon immer vorzüglich. Gerade an den Hoch ufern, also ein Stück weit weg vom Fluss, war man auch damals schon vor Hochwasser sicher.«
»Gibt es hier in der Nähe, speziell in der Vorderpfalz, Ausgrabungen zu dieser Epoche?«
Von Balleton überlegte nur kurz.
»Tatsächlich, Sie haben recht. Bei Fussgönheim hat man auf einem Acker einen Brunnenschacht entdeckt.«
»Handelt es sich um einen wertvollen Fund?«
»Junger Mann, alle Funde sind wertvoll! Aber ich weiß, auf was Sie hinauswollen. Brunnen aus dieser Epoche hat man schon einige entdeckt, nur halt nicht in dieser Gegend. Deswegen ist die Grabung von uns Wissenschaftlern mit Spannung verfolgt worden. Wenn ein Brunnen versiegte, wurde er nämlich als Mülldepo nie benutzt. Und so ein Müllplatz ist ein
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