Eroberer der Unendlichkeit
Kampf um Land, Kleidung oder Essen. Verbrechen aus Liebe oder Leidenschaft …« Er zuckte mit den Schultern. »Überall, wo es Menschen gibt, wird man Dinge dieser Art finden.
Sie nennen ihr Land also Romantika. Sie sind kein Volk der Naturwissenschaftler. Sie kennen kein Vorwärtsstreben. Die Kunst hat den Platz der Naturwissenschaften eingenommen. Malerei, Bildhauerei, Musik. Sie haben die Musik sehr weit entwickelt …
Ich darf nicht immer abschweifen. Der größte Teil der Bevölkerung lebt in Dörfern und Einzelgebäuden, die im Hügelland verstreut sind. Es gibt nur zwei große Städte. Diese hier ist die größte. Sie heißt Halbmond. Die andere Stadt –« er deutete –, »ist etwa fünfzig Meilen von hier entfernt am Rand der Berge. Sie heißt Ried. Eine merkwürdige Stadt, die zum größten Teil über dem Wasser gebaut ist. Es gibt dort heiße Flüsse, die unter den Bergen hindurchfließen. Kein Mensch weiß, wohin sie führen. Man ist ihrem Lauf noch nie gefolgt. Die Berge sind von Höhlen, Gängen und Stollen durchsetzt, die das reinste Labyrinth bilden. Sie führen alle nach oben. Aber niemand ist weit in sie vorgedrungen. Die Legenden erzählen von einer großen Welt, die dort oben sein soll. Die Riesen wahrscheinlich …«
Als Brett und Martt das erstemal hier gewesen waren, hatten sie diese Riesen angetroffen. Ungeheuer in Menschengestalt! Und ich erinnerte mich, daß sie die dritte Stadt von Romantika zerstört hatten.
Auf Bretts Gesicht lag ein besorgter Ausdruck.
»Wir haben seit damals nichts mehr von ihnen gehört. Man nimmt an – ich selbst glaube auch daran –, daß sie aus den unterirdischen Flüssen oder durch die Tunnel in den Bergen kamen. Ich glaube, daß diese konkave Fläche, auf der wir leben, die Innenfläche einer Art Kapsel ist. In der Nähe von Ried ist sie vielleicht nicht sehr stark. Darüber, jenseits – oben oder unten sind nur relative Begriffe – muß eine sehr viel größere Welt liegen. Dieses ganze Reich ist zweifellos ein Atom jener großen Welt. Da drüben müßte eine konvexe Fläche sein – auch mit einem Himmel und Sternen …
Seit Martt und ich Leela retteten, haben wir die Riesen nie wieder gesehen. Die Leute hier vergessen so schnell! Sie haben die Hügelstadt vergessen, die von den Riesen vernichtet wurde. Sechs oder acht Riesen – sie müssen ein paar hundert Fuß hoch gewesen sein – trampelten auf den Gebäuden herum. Ich war dort. Ich habe die Ruinen gesehen. Die Trümmer liegen meilenweit umher. Säulenhallen, Häuser, Terrassen – alles in Grund und Boden gestampft. Aber jetzt sagt jeder: ›Die Riesen sind fort. Wir sind sicher.‹«
Bretts Stimme war vor Ärger schneller geworden. »Ich habe während dieser Monate wie auf einem Pulverfaß gelebt. Es gibt hier keine Waffen. Meine eigenen Blitzröhren – was nützen diese winzigen Dinger gegen so gigantische Wesen? Wir müssen etwas unternehmen. Denn diese Riesen kommen wieder.«
In der Nähe des bogenförmigen Eingangs klangen Schritte auf. Leela kam zu uns.
»Leela!« rief Brett. »Sieh mal, das hier ist meine Schwester. Und da ist mein Freund Frank Elgon. Martt kennst du ja.«
Leela kam zögernd näher. Sie war rot geworden, als sie uns begrüßte. Sie wirkte fast noch zierlicher als Frannie. Ihre Gestalt war von einem einzigen einfachen Tuch umhüllt – eher ein Schleier als ein Kleidungsstück. Das lange, dunkle Haar war im Nacken von einem Band zusammengehalten. Arme und Beine waren bloß. An den Handgelenken hingen graublaue Bänder mit kleinen Quasten. Die Füße steckten in hochhackigen Holzsandalen, die mit Quastenriemen um den Knöchel befestigt waren. Sie klickten beim Gehen. Leelas Gang war geziert, ein wenig wie bei den orientalischen Frauen unserer Erde.
Brett sah die Sandalen mit einem kleinen Lächeln an.
»Wozu sind die gut, Leela?«
»Zu Ehren unserer Gäste. Ich dachte, sie würden dir gefallen.«
Mit einer schnellen Geste bückte sie sich, löste die Riemen und streifte die Sandalen ab. Ihre Füße waren sehr weiß, zart und klein, und sie hatte die schön geformten Nägel rosa gefärbt.
»Es freut mich, daß ich Bretts Schwester und seinen Freund kennenlerne. Und du, Martt, bist natürlich auch herzlich willkommen.« Ihre Stimme war sanft. Sie gab Martt und mir die Hand und erwiderte Frannies herzliche Umarmung.
Brett sollte an diesem Abend heiraten – ein öffentliches Ereignis mit einem Fest, dem die ganze Stadt entgegenfieberte.
»Das Fest der Lichter und
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