EROBERT VON EINEM ITALIENISCHEN GRAFEN
weitere „Liebesbezeugungen“ unmöglich machte.
Paolo schien ohnehin nicht mehr in derselben Stimmung zu sein. Vielmehr seufzte er häufig, putzte sich die Nase und fasste sich ab und zu an die Stirn, um seine Temperatur zu prüfen.
Obwohl Laura sich sorgenvoll überlegte, wie sie sich am besten verhielt, hatte sie Hunger. Mit Appetit aß sie das Pilzrisotto, das Kalbfleisch in Weinsoße und das cremige Mandeldessert. Wein trank sie nur wenig, da sie einen klaren Kopf behalten wollte.
Auf Englisch unterhielten sie sich über eher allgemeine Themen. Signora Vicente versuchte gelegentlich, ins Italienische zu verfallen, wurde vom conte aber jedes Mal daran erinnert, dass sie einen englischen Gast hätten. Wenn sie nachgeben musste, machte es sie sichtlich wütend.
Als sie mit dem Essen beinah fertig waren, ließ Paolo sozusagen die Bombe platzen. „Ach, Mamma, den Ring, den ich von Großmutter geerbt habe und den du für mich aufbewahrst, möchte ich haben – sobald wir wieder in Rom sind.“
Die folgende Stille schien wie elektrisch aufgeladen zu sein. Was hat ihn bloß veranlasst, das zu sagen – und ohne mich zu warnen?, dachte Laura bestürzt. Er forderte seine Mutter bewusst heraus, indem er so tat, als wäre die vermeintliche Beziehung schon weit gediehen.
„Es ist ein wertvolles Schmuckstück“, sagte die Signora schließlich, und ihre Stimme zitterte leicht. „Es sollte sicher aufbewahrt werden. Aber letztlich liegt die Entscheidung bei dir.“
„Und ich finde, dass ich ihn jetzt in meinen Besitz nehmen sollte“, sagte Paolo.
Danach verlief die Unterhaltung nur noch schleppend. Schließlich schlug der conte vor, den Kaffee im Salon zu trinken.Es gab schwarzen starken Espresso in winzigen Tassen, dazu reichte der Diener Guillermo Laura ein kleines Glas mit einer klaren Flüssigkeit. „Grappa für Sie, signorina?“
„Was ist Grappa?“
„Ein Tresterbrand“, erklärte der conte und lächelte. „Gut für die Verdauung.“
Na schön, aus medizinischen Gründen probiere ich ihn, dachte sie und trank einen kleinen Schluck. Sofort schossen ihr Tränen in die Augen, Laura glaubte, keine Luft mehr zu bekommen.
„Lieber Himmel“, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte, und nahm dankbar das Glas Wasser entgegen, das Alessio ihr reichte. „Wie stark ist dieser Schnaps?“
„Er hat ungefähr vierzig Prozent.“ Alessio klang amüsiert. „Haben Sie noch nie an einem Glas Grappa genippt?“
„Bestimmt nicht! Daran würde ich mich erinnern“, erwiderte sie mit Nachdruck.
Der conte blickt zu seinem Cousin. „Du hast Laura nicht genug mit den italienischen Bräuchen vertraut gemacht, mein Lieber.“
Paolo grinste anzüglich. „Nein, ich habe mich auf die Dinge konzentriert, die wirklich zählen.“
Alessio warf ihm einen nachdenklichen Blick zu, sagte aber nichts. Laura errötete heiß und wäre am liebsten im Boden versunken. Signora Vicente, die bisher reglos wie eine Statue auf dem Sofa gesessen hatte, verkündete unvermittelt, sie wolle nun fernsehen. Die Runde löste sich anschließend auf.
Signora Vicente sah sich eine politische Sendung an, der Laura nicht folgen konnte. Stattdessen beobachtete sie die beiden Männer beim Schachspielen. Obwohl sie keine Expertin war, merkte sie bald, dass Paolo sich in eine ausweglose Situation manövriert hatte.
„Ich bin zu krank, um zu spielen“, meinte er schließlich missmutig und gab auf. „Jetzt gehe ich ins Bett und lasse mir von Emilia einen Kräutertee bringen.“ Er stand auf und küsste Laura auf die Wange. „Gute Nacht, carissima. Morgen binich hoffentlich wieder gesund und kann dir … allein … meine Heimat zeigen?“
Laura zwang sich zu lächeln und erwiderte leise, dass es ein wundervoller Vorschlag sei.
Paolo nickte zufrieden, küsste seiner Mutter die Hand und zog sich dann in sein Zimmer zurück.
Während Paolo den Salon verließ, stellte Alessio die Schachfiguren zu einem neuen Spiel auf. „Hätten Sie Lust, den Sieger herauszufordern?“, fragte er Laura.
„Nein, so leicht, wie Sie Paolo geschlagen haben, lieber nicht“, antwortete sie bedauernd. „Mein jüngerer Bruder wäre Ihnen vielleicht ein besserer Schachpartner. Er war mit sechs Jahren schon der Champion seiner Schule.“
„Ihr Bruder?“, mischte sich Signora Vicente plötzlich ein. „Ich dachte, Sie wären eine Einzelkind, Signorina Mason.“
Zu spät fiel Laura ein, dass sie Paolo versprochen hatte, sich nicht nur als Einzelkind, sondern auch
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