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Eros und Asche

Eros und Asche

Titel: Eros und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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ihm aber nichts von einem Haus gesagt, trotz eines noch frischen Stolzes, weil mir nichts geschenkt worden war; irgendetwas von diesem Gefühl muss aber durchgesickert sein, denn wir sprachen gleich über Italien und gleich auch über den Gardasee, von dem er nichts hielt, und ich erzählte dann von meinem Blick, aber so, als säße ich auf einem Hotelbalkon oder besser noch auf der Dachterrasse. Und auf einem Dach war auch mein Platz, nämlich auf dem Hausdach, und die zwei Worte Hotel und Dachblick brachten mich auf Buenos Aires, wo ich ein Dachzimmer im Hotel Castelar bewohnt hatte, und plötzlich waren wir – so liefen unsere Gespräche – bei Carlos Gardel, und ich erzählte von dem Denkmal für den Tango-Gott, lebensgroß auf seinem Grab, und in der Kettenraucherhand aus Bronze seit 1935, dem Jahr, in dem er umkam, stets eine brennende Zigarette. M. hatte sich daraufhin selbst eine angesteckt, ich hörte das Feuerzeug, aber auch seine Schritte und ein Rascheln; er blätterte in einem Buch, er räusperte sich, und las dann mit nüchterner Stimme, wie früher wenn er mit Gedichten dran war. »Das hatte ihm imponiert, meinem Vater, ein Unsterblichsein mit Zigarette, also ließ ich mich zu dem Denkmal fahren, und tatsächlich glimmte dort etwas in Gardels Hand, sein ewiger Funke.« Er räusperte sich erneut, und mein Stolzgefühl war verflogen oder über mir zusammengeschlagen; ich hatte nicht gewusst, wie sehr ihm klar war, dass die Doppelfigur Vater/Sohn in diesem Roman ( Parlando ) mehr mit ihm als mit mir zu tun hat – von seiner Seite dazu nie ein Wort, auch nicht bei der Gelegenheit. Stattdessen unterstellte er mir, dass ich müde sei und auflegen wolle, aber gemeint war wohl seine Müdigkeit oder unsere Freundesmüdigkeit, die selbst nächtliches Telefonieren zu einem Akt machte, mit Pausen, die nur ein Geräusch füllte, das langsame Ausblasen von Rauch aus einem fast geschlossenen Mund.
    Als erster beim Frühstück auf der Terrasse des Gardesana – der See etwas bewegt, das Wasser im Hafen glatt. Ein paar Alte laufen schon herum oder fahren im Schleichgang Rad (früher drehte hier der alte Colombo, den wir Heiner Müller nannten, weil er ihm so ähnlich sah, auf einem Damenrad seine Runden gegen das Sterben). Einen besseren Platz zum Frühstücken kann es kaum geben, obwohl es nur ein Drei-Sterne-Haus ist; Auszug aus der Gästeliste vor und nach André Gide: Gabriele D’Annunzio, Max Ernst, Winston Churchill, Lawrence Olivier, Maria Callas, Kim Novak, Isabel Allende, Horst Tappert – und immer wieder diese leichte Kränkung, weil solche Listen, je näher sie der Gegenwart kommen, doch irgendwie an Glanz verlieren, in dem Maße, wie die Prominenz den Rang abgelöst hat; frühere Größen daher auch stets auf Schwarzweißfotos, obwohl es schon Farbfotografie gab, aber guter Instinkt der Hoteliers hat das Bunte von Anfang an mit dem Billigen in Verbindung gebracht. Und zu Allende fällt dem Erzähler nur ein: Da hat doch der alte Verleger U. eines Buchmesseabends vor vielen Jahren ihn und drei andere Kollegen an die Hand genommen und buchstäblich zu ihr geschleppt und mit den Worten Some German authors vorgestellt.
    Tagsüber Arbeit an der Novelle, abends der Balkon mit Hafenblick, drei Zigaretten, eine halbe Flasche Amarone; später noch einmal die Novelle, halblautes Lesen einiger längerer Sätze (kürzlich ein Zeitungsbeitrag der neuen Familienministerin, kein Satz mit mehr als vier, fünf Worten, in einer Komfortsprache, die viele auch schon von den Autoren erwarten: Bücher mit kurzen Sätzen und viel Dialog, Fernsehen für den Strand oder das Sachbuch in Romanform). Trotz Amarone kaum Müdigkeit, zähes Nachdenken über M. – mehrfach aufgefordert, mich hier am See zu besuchen, aber er kam nicht. Die Erklärung ist schmerzhaft simpel – in dem Maße, wie der schreibende Freund etwas hatte, das sich vorzeigen ließ, stand er mit immer leereren Händen da, und das am Ende noch auf wackligen Beinen.
    Das Versäumte, oder was zu tun wäre, wenn sich M.s Zeit zurückdrehen ließe. Ihn zu einer Reise bewegen, alles bezahlen. Einen Blick in seine Arbeitswelt werfen – M. als Neurologe im Klinikbetrieb, M. als Notarzt, M. als Hilfsantiquar (und Pessoa-Figur). Einen Telefontermin vereinbaren, einmal im Monat. Eine Einladung nach Frankfurt aussprechen, ihn mit dem Auto holen; den Sohn durch M.s Berliner Räume führen. Noch einmal das Internat besuchen, noch einmal die zwei Schwestern treffen, deren

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