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Eros und Asche

Eros und Asche

Titel: Eros und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Leben wir durcheinandergebracht haben. Mit M. über seinen versteckten See rudern; dabei ein Gespräch in dem Wissen führen, dass es unser letztes ist.
    Von draußen nur noch das Geräusch der Masten, ihr leises Zusammenstoßen, wenn eine Welle durch den Hafen läuft. Etwas lässt mir keine Ruhe und hält mich wach, ich habe M.s Geburtsdatum vergessen; Anfang Oktober siebenundvierzig, mehr weiß ich nicht. Und genau um zwei – von der Kirche die Glocken, und Sekunden später auch fernes Läuten aus Albisano oberhalb von Torri – das Wählen der Mobilnummer seiner Ex-Gefährtin, um die Frage nach dem Geburtstag auf ihre Mailbox zu sprechen, damit sie morgen gleich anruft. Aber nach ein paar Worten wird am anderen Ende abgenommen, H. ist in ihrer neuen Bleibe, der Einzug – sie habe bis eben Kartons hin- und hergeschleppt, Platz für ein Bett geschaffen. Und er hatte am ersten Oktober Geburtstag, sagt sie, habt ihr nie gefeiert? Eine Frage, die mich noch wacher macht. Feiern, sage ich, das lag ihm nicht, das müsse sie doch wissen, seinen Siebzehnten hätten wir aber gefeiert, mit Bier und Musik, und er sei später bei meinem Dreißigsten dabei gewesen, in einem Lokal im Frankfurter Bahnhofsviertel, Einzelheiten seien mir entfallen. Danach nichts mehr, was mit Geburtstagen zusammenhing, kein Brief, kein Anruf, und schließlich das Vergessen des Datums und folglich auch nichts zum jeweils fünfzigsten – auf einmal fällt mir das ein und tut noch im Nachhinein weh. Also komme ich auf etwas anderes, die neue Wohnung, und H. beschreibt sie als nacktes Chaos, drei Zimmer Hinterhof, aber bei meinem Besuch könnte ich dort schon schlafen. Irgendwie, sagt sie, und wir klopfen noch einmal den Termin fest, vor den gegenseitigen Wünschen, auch in dieser Nacht irgendwie noch zu schlafen.
    Und als ich anderntags schon mit Gepäck Richtung Haus aufbrechen will, laufen die Jungs in den Hafen ein, in einem Schlauchboot, das fast untergeht, kommen sie von unserer Boje, an der die Sea Rey jetzt hängt. Sie haben auf dem See übernachtet und sind noch müder als ich, aber bester Dinge. Meine Sachen laden sie zu ihren Rucksäcken in das biegsame Boot, dann wird das Ganze durch die Hohlwege nach oben getragen, auf den Schultern wie ein Sarg, der Erwachsene am Ende der Prozession. Und im Haus werden noch Brote geschmiert, dabei schon der Abschied; die Jungs nehmen den Bus nach Bergamo, morgen früh um sechs geht dort irgendwo ihr Flieger, in der Pampa, wie man sagt. Es ist still, als sie weg sind, so still, dass ich Rasen mähe. Danach ein Buch, wieder einmal Ennio Flaianos Alles hat seine Zeit , bis ein Taxi am Gartentor hält, darin U. mit unserer kleinen Zottelhündin, vom Flughafen der Normalreisenden kommend.
    Ein Abend im Freien, essen, trinken, schauen, und ab und zu ein paar Worte, nichts Überraschendes. Der Wein ist aus der Gegend, ein sauberer Lugana; dazu Buffala, Olivenöl und grobes Salz, etwas Brot, etwas Mortadella, ein Teller mit Alici, ein Teller mit Avocados. Die Sonne knickt in die Berge, ein blasser Ball, quer über dem See ein Streifen Licht; die Hündin liegt auf dem Rasen, sie sieht zu den beiden am Tisch. Wir reden über den Schreibkurs, der morgen beginnt, U. schenkt mir Wein nach; es ist alles gesagt, wir dösen beim Essen – Glück kann einem Angst machen, die Angst vor dem Gegenteil. Gide neunzehnhundertachtundvierzig, im Hotel Gardesana: »Ich glaube aufrichtig zu sein, wenn ich sage, daß der Tod mich nicht schreckt; aber ich sehe mit einer Art Verzweiflung diesen Sommer enden.« Auch unser Abend endet; ich sehe ihn enden, obgleich er noch währt.

14
    M. starb im Spätsommer, sein Tod fiel auf einen noch strahlenden Tag, morgens schon warm, schräge Sonnenstrahlen in einem Kiefernwald, also wohl Harzduft und vermutlich das Klöppeln von Spechten, einem Wald bei seinem versteckten See (nördlich von Berlin, das muss genügen), zwischen den Kiefern verstreut ein paar Hütten, je ein Raum mit zwei Schlafplätzen und Kochecke – H., die Gefährtin, hatte entsprechende Fotos geschickt, auf einem sie, blond zerzaust, im Türrahmen der Hütte, mit ernstem Blick in die Kamera, auf einem anderen M., noch halb im Schlafsack, ein greiser Pfadfinder. Offenbar ruhige Tage in diesem sonnendurchschienenen Wald nahe des Sees, morgens das Rudern, später Lesen, ein leichtes Essen, Mittagsschlaf. Auch an seinem Todestag – dem Vortag der Rückreise, die er nicht mehr hatte antreten wollen – mittags noch einmal das

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