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Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Sofie, es klingelt, Rolf
giftet Birgit an: »Mach doch rüber!«
    »Drüben ist ja alles ganz in Ordnung. Hier muß gekämpft werden.«
    »Lächerlich!«
    Sofie geht aufmachen. Draußen steht Lukian, mit Blumenstrauß.
    »Gratuliere noch mal. Ich dachte, ich bring das hier eben vorbei.«
    »Ui. Komm rein! Wie war dein Name? Lukian? Mein Gott, Blumen – die
nehmen soviel Platz weg. Was zu trinken wär doch auch okay gewesen.« Sofie läßt
ihren Unmut über Schnittblumen heraushängen, jedoch so, daß es wie eine
Flapsigkeit klingt, die man ihr nicht übelnehmen kann. Lukian steht lächelnd in
der Tür, bewegt sich keinen Zentimeter, wie zur Salzsäule erstarrt.
    »Entschuldigung, ich kann leider nicht reinkommen … Ich hab noch zu
tun, also mein Chef hat angerufen, ich muß noch wohin … leider.«
    »Trotzdem bringst du mir nen Blumenstrauß? Ist ja süß.«
    »Schade. Ehrlich. Man … sieht sich?«
    »Na, wenn du nicht willst, haste sicher schon. Danke! Tschau.« Sofie
schließt die Tür, findet das seltsam, so einen Blumenstrauß, der sicher fünf
Mark gekostet haben muß, vorbeizubringen, aber selber dann zu kneifen …
Rätselhaft. Nur – damit will sie sich jetzt nicht auseinandersetzen.
    Birgit fragt, wer das gewesen sei.
    Was geht sie das an, wer das war? »Nur der Nachbar«, murmelt Sofie
und bringt den Blumenstrauß ins Bad.
    »Und was macht der?«, fragt nun Rolf, den Blumenstrauß betrachtend,
der seiner Meinung nach bestimmt sieben Mark gekostet haben muß.
    »Keine Ahnung. Ich hab erst drei Sätze mit ihm gesprochen.«
    Rolf fixiert den Blumenstrauß im Waschbecken. »Drei Sätze? Und dann
so’n Gebinde?«
    »Mann!« Sofie fährt ihm mit blitzenden Augen über den Mund. Sie
hatte sich manchmal etwas Eifersucht seinerseits gewünscht. Jetzt grade nicht.
Weil es nicht den geringsten Anlaß dafür gibt, und ihr dieser blöde
Blumenstrauß auf die Nerven fällt. Im Hintergrund wird diskutiert, ob der Titel
des Fußballweltmeisters verteidigt werden könnte. Die Frauen im Raum drehen
daraufhin das Radio noch lauter. Der Klarinettist aus Rolfs Combo hat sich in
Sofies Bett schlafen gelegt, es gibt sonst ja keines, er schnarcht. Die Party
geht bis halb sechs Uhr früh, endet in geschlechterspezifischen Debatten, über
den Unterschied der Lust von Männern und Frauen, und den sich daraus ergebenden
gesellschaftlichen Zwängen. Unter dem Alibi des soziologischen Disputs werden
Orgasmuserfahrungen ausgetauscht. So, wie Partys gegen halb sechs Uhr morgens
sein sollen: ehrlich, ergreifend und lehrreich.
    Weil gegen Ende die Alkoholvorräte ausgehen, wird Rolf zur
Tankstelle geschickt. Er bringt Bier und Weinbrand. Sofies Mathelehrer ist
vollkommen betrunken und lallt, es hört ihm niemand zu, von einem guten Stern,
der über sie wache, dann schläft er ein.
    Die gute Zeit
    »Während dieser Jahre mußten wir kaum einmal eingreifen.
Sofie war glücklich. Bitterarm, aber glücklich. Einigermaßen. Wir sahen keinen
Grund, irgendwas zu ändern. Außer bei der Abiturprüfung einmal, in Mathe, da
halfen wir ein bißchen … Und jene Ausbilderin, die Sofie anzeigen wollte,
wegen des Kaffees, die haben wir beschwichtigt, das war alles.«
    »Verstehe. Was haben Sie denn in dieser Zeit getan?«
    »Nichtigkeiten. Ich mußte mir die Zeit mit irgendwas vertreiben. Die
v. Brücken-Werke wuchsen. Es machte Spaß. Ich kaufte immer neue Menschen. Vor
allem junge, ehrgeizige Wissenschaftler mit neuen Ideen. Mein Terminplan war
voll mit Besprechungen, Bestechungen, Ehrungen, Schiffstaufen,
Grundsteinlegungen, Hochzeiten, Ordensverleihungen, Patentprozessen etcetera.
Es war richtig viel Arbeit. Manchmal, wenn die Einsamkeit mich ausgehöhlt
hatte, kamen Versuchungen. Ich hatte meine Hintermänner überall, Lukian war nur
einer davon. Hier, ich zeige Ihnen was.«
    Er überreichte mir ein Foto (schwarz-weiß) der schlafenden
Sofie. Es war das erste und einzige Bild, das ich von ihr zu Gesicht bekam.
Ganz hübsch. Die Nase etwas spitzer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Wie
hatte ich sie mir denn vorgestellt? Wie war das Bild entstanden? War es
indiskret, danach zu fragen? Unsinn, also fragte ich, aber von Brücken meinte
lapidar, das Bild sei wohl in der Nacht jener Party entstanden, als alle
betrunken waren, vielmehr am Morgen, als es schon wieder Tageslicht gab, Lukian
habe es geknipst. Wie denn? Heimlich. Natürlich. Das sei doch nicht wichtig. Er
wiegelte ab.
    »Wissen Sie – ich hatte mir selbstverständlich nur etwas

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