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Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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vorgemacht.
Sofie aus meinem Kopf zu bekommen, gelang mir nie. Höchstens mit Medikamenten.
Lassen Sie uns für heute aufhören, ich bin müde, und Sie sind sicher hungrig …
Verzeihung, wenn es mir an Rücksicht Ihnen gegenüber gemangelt hat.«
    Mir gefiel die Geschichte. Sie erschien ausbaufähig, so
hergeholt und konstruiert sie auch klang. Einige Änderungen würden wohl nötig
werden, dachte ich, um das Ganze glaubhafter zu gestalten, organischer. Von
Brücken hatte sich mit mir den Richtigen ausgesucht. Es galt, dem ganzen
Brimborium, dem Konstrukt, dem Skelett, Fleisch auf die Knochen zu hieven, und
zuletzt eine Haut. Zuallerletzt ein Schimmern auf der Haut.
    Auch in dieser Nacht hörte ich Geräusche von draußen. Wie
entfernter Baulärm. Tagsüber sah ich wenig Personal im Schloß, hier mal einen
Diener und manchmal, zufällig, den Koch, wenn er auf der Auffahrt einen
Zigarillo rauchte. Warum – und woran – sollte nachts gebaut werden? Ich öffnete
das Fenster nach Norden, zum Park hin, sah ab und an Lichter aufblitzen, hörte
Motorengeräusche, selten drang durch die Stille eine menschliche Stimme, die irgendeinen
kurzen Befehl gab. Es fiel kein Schnee mehr und die Sicht war klar, bis hin zu
den hohen Tannen, die den Park umrundeten wie ein Sichtschutz.
    Ich klingelte, das war mein gutes Recht, fand ich, auch wenn bei
geschlossenem Fenster die Geräusche mich kaum gestört hätten. Lukian Keferloher
kam selbst, in einem Bademantel, der eher wie eine alte Admiralsuniform aussah,
königsblau, mit goldfarbenem Gürtel und hohem Kragen.
    »Sie wünschen?«
    »Im Park wird gearbeitet, nicht? Ich kann es hören.«
    »Das tut mir leid. Sie scheinen gute Ohren zu haben. Ich wohl leider
nicht mehr.«
    »Was geht da draußen vor? Warum wird nachts gearbeitet?«
    »Das hat einen einfachen Grund. Es sind Arbeiten im Freien. Tagsüber
kommt hier immer mal wieder ein Hubschrauber vorbeigeflogen, von irgendwelchen
Zeitungen, Fremdfirmen oder vom BND, dann könnte gefilmt werden, was da gebaut
wird. Das möchte der Chef nicht. So einfach.«
    »Aha. Vom BND? Klingt gefährlich.«
    »Eine lange Geschichte. Der Chef wird sie Ihnen sicher noch
erzählen, ich will dem nicht vorgreifen.«
    Ich bot Lukian Keferloher an, ein Glas Wein mit mir zu trinken. Er
zierte sich kurz, gab dann nach und setzte sich mir gegenüber auf die
Chaiselongue unter dem Mittelfenster. Ich hob mein Glas, prostete ihm zu. »Sie
mögen mich nicht, stimmts? Sie sind gegen das Projekt.«
    Er antwortete leise, das stimme wohl, aber seine Antipathie richte
sich allein gegen das Projekt, nicht gegen mich persönlich. »Ich finde es nicht
in Ordnung, das alles aufzuschreiben. Aber ich werde nicht versuchen, es zu
verhindern. Vielleicht muß es ja doch so sein. Das ist schwer zu beurteilen.«
    »Übrigens«, ich versuchte es möglichst en passant, nonchalant, »was
wird da draußen denn gebaut?«
    »Eine Grabstätte.«
    Seine Offenheit verblüffte mich. »Ach ja?«
    »Der Chef hat nicht mehr lange zu leben, und er möchte in seinem
Park begraben sein.«
    Ob das denn gehe, fragte ich. »Ich meine, vom Gesetz her, wir haben
doch Friedhofszwang in Deutschland, oder?«
    »Sehen Sie, wenn man Alexander v. Brücken ist, selbst wenn man eines
Tages nur Alexander v. Brücken gewesen ist, verfügt man über gewisse Privilegien.
Nötigenfalls wird der Park von den Behörden zum Friedhof erklärt.«
    »Ach, raffiniert.«
    »Das meiste im Leben ist nur eine Frage der Benennung. Es wäre dem
Chef sicher nicht recht, die Bauarbeiten einzustellen. Soll ich es dennoch
veranlassen? Sie können mir das anberaumen, Ihr Wohl ist meine oberste
Priorität.«
    Ich sagte nein, es sei nicht schlimm, und es täte mir leid, ihn
aufgeweckt zu haben.
    Er habe nicht geschlafen, entgegnete er und wünschte mir noch eine
gute, friedvolle Nacht.

Dritter Tag
    1961, Mai
    In der Aula der Universität Wuppertal kommt es zu einem
folgenschweren Streit zwischen Rolf und Sofie. Die Abschrift des von beiden mit
enormer Lautstärke geführten Gesprächs findet sich in von Brückens Akten.
    »Ich will endlich eine Familie haben! Wir sind alt genug!«
    »Rolf, ich steh kurz vorm Abschluß.«
    »Ja und? Paßt doch.«
    »Und wenn ich durchfliege? Muß ich wiederholen und hab ein Balg am
Hals! Das ist mir zu riskant.«
    »Sag bitte nicht: Balg . Es wäre mein und dein Kind . Kein Balg!«
    »Ich will keine Kinder. Nicht jetzt.«
    »Wir könnten wenigstens endlich heiraten. Schon wegen meiner

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