Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
eine
Vorfahrtsstraße mißachtete.
    »He! Passense doch auf!« Henry redete mit mir.
    »Tschuldigung.« Oh, verdammt. Ich hatte einen Fehler gemacht, spürte
den leichten Stromstoß im Nacken. Nie würde sich ein echter Berliner Taxifahrer
für einen gemachten Fehler entschuldigen.
    »Wem die heute alles ’n Taxischein geben …«
    »Kann doch mal passieren«, meinte Sofie. So entzückend sah sie aus.
    »Und? Du hast gut gefeiert, ja?« Er klang grimmig.
    »Wie – gefeiert?«
    »War doch mordswaslos.Wär gern dabei gewesen.«
    »Ich fands ziemlich traurig.«
    »Kanns gar nicht erwarten, wieder aktiv zu werden. Birgit, die
Schnalle, hat mich grad zweimal besucht. Kann nix tun, hat sie gesagt. Die mag
mich nicht, das sag ich dir.«
    »Quatsch. Sie tut, was sie kann.«
    »Bloß kann sie halt nix. Hast du mit irgendwem gevögelt?«
    »Nee. Was solln das?«
    »Ich kriegs doch raus, sags lieber gleich.«
    »Red keinen Scheiß.«
    »Mädel, ich bin total heiß. Auf mir kannste Spiegeleier braten!« Er
wollte ihren Kopf in seinen Schoß ziehen.
    »Hör auf. Nicht hier.«
    »He, Fahrer! Zum Mehringdamm wärs aber übern Kanal kürzer gewesen.«
    »Da ist Stau. Sie habens doch eilig?«
    »Isn Argument.« Die Drecksau wandte sich wieder meiner
Sternengeliebten zu. »Hast du mich vermißt?«
    »Türlich.«
    »Fühl mal!«
    Ich konnte es nicht sehen, aber bestimmt lenkte er ihre Hand in
seinen Schritt.
    »Bitte. Laß!«
    »Augen nach vorn im Straßenverkehr!« Die Drecksau meinte mich. Ich
fuhr rechts ran, hielt abrupt.
    »Was solln das?«
    Im Rückspiegel sah ich Sofies stumm bittendes Gesicht. Und zündete
mir eine Zigarette an. Trotz aller Schmerzen – ich fühlte mich lebendig.
    »Is irgendwas? Spinnt der?«
    Ich stieg aus, ließ die Tür offenstehen, ging gemessenen Schrittes
fort, mit einem Würgereiz im Hals, der kaum noch zu unterdrücken war.
    »Der haut einfach ab!« Henry wollte es nicht fassen.
    »Dann hauen wir eben auch ab. Komm!« Sofie zog die Drecksau aus dem
Wagen. Der verwanzt war, so hab ich das Gespräch zwischen den beiden später
vervollständigen können.
    »Sowas hab ich ja echt noch nicht erlebt.«
    »Komm! Der hat eben einen an der Klatsche.«
    »Ich hätt verdammt Lust, dem die Fresse zu polieren.«
    »Willste wieder ins Gefängnis?«
    »Der kann uns doch nicht so behandeln!«
    »Aber wir müssen auch nichts bezahlen. Hat auch was. Komm. Sind doch
nur noch drei Blöcke.«
    »Kennst du den?«
    »Nee. Wie kommstn darauf?«
    »Was läuftn hier ab?«
    »Keine Ahnung, ehrlich. Komm, wir gehn zu Fuß.«
    Sie gingen zu Fuß.
    Tonbandabschrift 16. Juni 1967 nachmittags. Wohnung Mehringdamm.
    –  Henry: Du hast hier mit nem Typen getanzt. Hier in
der Küche! Holger hats mir verklickert.
    –  Sofie: Gut. Ich hab mit ihm getanzt. Da war sonst
überhaupt nix.
    –  Henry: Willst du mich verarschen?
    (klatschendes
Geräusch)
    –  Sofie: Du schlägst mich nicht nochmal!
    (klatschendes
Geräusch)
    –  Henry: Falsche Prophezeiung, Freundin!
    –  Sofie: Du Scheißkerl!
    (scheppernde
Geräusche)
    »Wie haben Sie das ertragen können?«
    »Was hätten Sie an meiner Stelle getan?« Der alte Mann hob leicht
seufzend die Schultern. Mir war nicht klar, was ich antworten sollte, jedoch,
um meinen Auftraggeber aus der Reserve zu locken, ihn gewissermaßen meines
Verständnisses, meiner Komplizenschaft zu versichern, gab ich mich finster.
»Ich hätte den Kerl abgemurkst.«
    »Sehen Sie! Sehen Sie! Welche Versuchung! Viele hätten ähnlich
entschieden und wären dafür im Gefängnis gelandet, mit hoher
Wahrscheinlichkeit. Ich dagegen hätte es mir wahrscheinlich erlauben können.
Obwohl – Sie sollen nicht denken, daß ich irgendwelche Mörder und Totschläger
in meiner Truppe beschäftigte. Das waren alles anständige Leute, die von mir
Geld genug bekamen, um auch weiterhin anständig zu bleiben. Mit der Möglichkeit
in Gedanken gespielt, das sei eingestanden, habe ich. Sie denken jetzt, es würde Ihnen, wenn es
tatsächlich so gewesen wäre, von mir verheimlicht werden. Nein. Wozu? Es soll
keine Gloriole um mein Haupt gewebt werden, aber um die Geschichte richtig zu
erzählen, bestehe ich darauf, daß Sie stets von meinen besten Absichten
ausgehen. Stellen Sie mich bitte nicht als durchgeknallten Befehlshaber einer
Privatarmee dar; das hieße, die Geschichte mit kruder Räuberromantik
anzufetten. Ich war ein verliebter, möglicherweise krankhaft verliebter
Geschäftsmann, der nie auch annähernd so weit

Weitere Kostenlose Bücher