Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ErosÄrger

ErosÄrger

Titel: ErosÄrger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Schreiner
Vom Netzwerk:
meinte Frau Meyer. »Die haben magische Fähigkeiten, wenn es um ihre Zeit geht!«
    Meyer vergaß ihre Position in der Hierarchie und zog an der Leine. Diese Aktion brachte ihr nicht nur ein Knurren ihres dominanten Haustieres ein, Mister Fluffy übernahm auch augenblicklich wieder die Führung und zerrte seine willige Gefolgschaft durch die Haustür.
    »Was ist denn DAS?!« Die Tonlage Meyers und das klägliche Winseln des kleinen, vierbeinigen Chefs ließen mich den beiden rasch auf die Straße folgen. Ich erstarrte beim Anblick der Kreaturen regungslos. Erinnerungen schwappten aus meinem Unterbewusstsein hervor, gaukelten mir eine andere Zeit vor, einen anderen Ort. Jahrhunderte, in denen die Matching Myth in Rom agiert hatte – unerkannt unter den Menschen. Ich krallte mich an dem steinernen Eingangsbogen fest, als das Wissen meiner Mutter, welches nach ihrem Tod auf mich übergegangen war, ohne jede Vorwarnung über mich hinwegspülte und an meiner Persönlichkeit zerrte. Die erneute Trauer war beinahe mehr, als ich verkraften konnte.
    »Hey, Lady!« Die Stimme des aufdringlichen Kirchenpredigers, der im Lichtkegel einer Straßenlaterne stand und mich quer über die Straße angesprochen hatte, riss mich aus der Erstarrung. »Sind Sie sich sicher, dass Sie sterben wollen? Eins mit Gott und dem Himmel? Zufrieden mit der Wiedergeburt?«
    Ich ignorierte den Schwarzgekleideten und versuchte zu ergründen, was die Wesen hergeführt haben könnte. Außerdem kannte ich die Versprechungen des dürren Predigers inzwischen auswendig. Schaumschläger.
    »Hei Lady, ich rede mit ihnen!« Der Prediger mit dem wachsbleichen Gesicht und dem struppigen, schwarzen Vollbart schien abzuwägen, ob eine verlorene – oder gewonnene – Seele es wert war, so früh am Morgen von einer Seite der 30er Zone auf die andere zu wechseln. Als er ein junges Paar mit Babywagen entdeckte, das auf seiner Straßenseite spazieren ging, entschied er sich für Weiterbrüllen. »Ich biete Ihnen Unsterblichkeit an! Garantiert!«
    Von Garantien konnte ich mir nichts kaufen, deswegen konzentrierte ich mich wieder auf die Wesen. Trotz der Entfernung war ihr Gestank nasenbetäubend und ihr Anblick ungeachtet der herbstlichen Dunkelheit eine Belästigung für die Seele.
    »Lemuren«, antworte ich Meyer. Selbst ich war mir nicht sicher, wie Lemuren entstanden oder vergingen, ob sie mumifizierte Menschen waren, Teile von mumifizierten Menschen oder zusammengewachsene Teile von allen möglichen toten Lebewesen. Braune, weiße und grüne Hautfalten, trocken, verbrannt, aufgeplatzt, verschimmelt oder mit feucht glänzendem Schleim überzogen, bedeckten Wesen, die zu ekelerregend waren, um sie länger zu betrachten.
    »Sind sie gefährlich?« Meyers Stimme war nur noch ein leises Flüstern und selbst der kleine Flohträger hatte es vorgezogen, seine Antipathie hinten anzustellen und sich zwischen seiner Besitzerin und mir zu verstecken.
    »Nein, nur hässlich.« Ich gab mir Mühe, meinen Ekel zu unterdrücken. Denn vielleicht hatten sogar Lemuren Gefühle, die verletzt werden konnten. Deswegen fügte ich auch nur leise hinzu: »Aber darin sind sie perfekt!«
    »Oh«, meinte Frau Meyer und folgte Fluffy, der entschieden hatte, dass es keine aktuelle Bedrohung gab und er etwas Wichtigeres zu tun hatte, als sich um alte römische Todeslarven zu kümmern.
    »Einen guten ersten Arbeitstag«, rief Frau Meyer mir zu, bevor sie um die Ecke gezogen wurde.
    Ich runzelte die Stirn. Hatte DeVil etwas erzählt? Auch Herr Staats hatte mir Erfolg gewünscht. Oder hatte ich Meyer gegenüber eine Andeutung gemacht? Der gestrige Abend war verworren gewesen, ich hatte an so viele Neuerungen denken müssen, daran wirklich zu leben – und meine ungewohnten, ungefilterten Emotionen unter Kontrolle zu halten. Aber ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, mit Meyer über persönliche Dinge gesprochen zu haben. Naja, genaugenommen konnte ich mich an so gut wie nichts aus unserem kurzen Dialog erinnern. Vom Kochrezept bis Lebensbeichte war nahezu alles drin.
    Nachdenklich ignorierte ich den Prediger, der inzwischen auf das junge Paar einredete und machte mich auf den Weg zu meiner alten – neuen – Arbeit. Die Lemuren schienen denselben Weg zu haben. Immerhin war der Abstand zwischen uns groß genug, um sie nur am Rande als Belästigung wahrzunehmen. Um mich abzulenken, versuchte ich mich an Fahrpläne, Tarife, Fahrkarten und Verbindungen zu erinnern. Jetzt, wo ich

Weitere Kostenlose Bücher