ErosÄrger
nicht mehr von meinen magischen Fähigkeiten Gebrauch machen konnte, graute es mir vor öffentlichen Verkehrsmitteln. Ohne die Möglichkeit, einfach per Wunsch den Ort zu wechseln, kam ich mir seltsam überfordert vor – meiner Freiheit beraubt. Außerdem bekam ich Kopfschmerzen.
An einer Straßenecke mit einem kleinen, hell erleuchteten Kiosk blieb ich entsetzt stehen und starrte auf die ausliegende Titelseite der »Foto«. Mein Bild starrte zurück.
»Verdammter Höllendämon«, fluchte ich und nahm unter leiseren, dafür umso energischeren Flüchen eine der Zeitungen an mich, während der Mann im Kiosk ungläubig schaute.
Als ich drei weitere Zeitungen und deren Schlagzeilen in den Tagesnachrichten ausmachte –
Nach der Menschenquote nun die Menschenfrau, Menschenfrau erobert Magische Welt
und
Menschenfrau verteidigt das Liebesvermittlungsmonopol für magische Wesen
– packte ich sie ebenfalls zu meinem Lesematerial und erhöhte mein Informations-Budget spontan.
»Wohnen Sie hier?« Die Stimme des südländischen Verkäufers klang vorwurfsvoll, während er in die morgendliche Finsternis des Herbstes starrte. Ich schenkte ihm einen zweiten Blick. Der Vermutlich-Spanier schien sich unter ihm unwohl zu fühlen, denn sein Blick aus eindrucksvollen braunen Augen wanderte von mir zu einem unbekannten Fleck irgendwo über meiner rechten Schulter.
»Ja, in der Nähe.« Ich zwang sich zu einem höflichen Lächeln. Unter anderen Umständen hätte ich mein zirka 35jährigen Gegenüber mit den glänzenden rotbraunen Locken und den ebenso rotbraunen Augen als
charmant, leicht vermittelbar, aber schwer zu halten
, eingestuft.
»Na dann. Prost Mahlzeit.« Die Stimme mit dem aufregenden Timbre wurde sarkastisch.
»Danke für den netten Empfang.«
»Genau den meinte ich auch.« Der Spanier deutete mit Abscheu im Gesicht auf etwas hinter mir. Seine leicht goldige Haut hatte einen gräulichen Ton angenommen, als sei ihm übel.
Erst jetzt bemerkte ich, dass die Lemuren in einigem Abstand hinter mir stehen geblieben waren.
»Sind nicht meine«, behauptete ich und wandte mich wieder meinem größeren Problem zu. »Wie komme ich schnellstmöglich zur Matching-Myth?«
»Um die Zeit? Den 83er Kurzstrecke bis zum Hauptbahnhof und das letzte Stück Bahnhofstrasse laufen.«
»Danke!« Ich griff nach meinen Zeitungen und hatte die ersten vier Schritte schon gemacht, bevor der Spanier rief: »Nicht die Straßenbahn, den Bus.«
Ich stoppte, ignorierte die scheinbar orientierungslosen Lemuren, warf einen Blick auf den Verkäufer, der sich aus seinem Kioskfenster gelehnt hatte, um mir nachzusehen, und hastete dann mit einem »Danke« in die Richtung, die er zeigte.
»Gehören die echt nicht zu Ihnen?« Das angenehme Timbre verfolgte mich und hatte einen misstrauischen Unterton angenommen.
Ich blieb stehen, wobei ich Mühe hatte, nicht auf den noch nachtnassen Blättern auszurutschen. Die hässlichen Lemuren waren mir gefolgt! Inzwischen hatte sich sogar ein Einhorn in ihre Mitte geschmuggelt und erwiderte meinen Blick. Unschuldig.
»Nö!«, behauptete ich und winkte dem Verkäufer mit den schönen Haaren zu, bevor ich wieder losspurtete. Ich war wirklich spät dran. An meinem ersten Arbeitstag als Mensch. Ausgerechnet!
Als ich den Bus von Weiten sah, beschleunigte ich noch mehr und bewunderte die Menschen, die sich jeden Tag mit Fahrplänen Angelegenheiten herumärgern mussten. Selbst nachdem man sich auf eine gemeinsame Uhrzeit geeinigt hatte, schien es immer wieder zu Unstimmigkeiten, Verspätungen – oder Verfrühungen – zu kommen.
Trotzdem schaffte ich es rechtzeitig, stieg beim Fahrer ein und bezahlte nach Nennung meines Zieles eine Karte. Schon der erste Schritt in Richtung eines Sitzplatzes machte mich darauf aufmerksam, dass sich die Lemuren ebenfalls in dem öffentlichen Verkehrsmittel befanden. Und in meiner Nähe blieben, als ich mich setzte.
Glücklicherweise war ihr Duft doch nicht so schlimm. Zumindest nicht, wenn hinter einem eine Gruppe heranwachsender Schülerinnen stand, die nach Zigaretten, Schweiß und diversen Parfüm- Shampoo- und Waschlotionen stanken.
Erst, als die Lemuren ebenfalls am herrlich herbstlich geschmückten Gelsenkirchener Hauptbahnhof ausstiegen und mir nicht nur die Rolltreppe nach unten, sondern auch noch – zur Belustigung der anderen Passanten – auf der Bahnhofstrasse in stets gleichbleibendem Abstand folgten, wurde ich nervös. Ohne es zu wollen, blickte ich mich ständig nach
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