ErosÄrger
über das, was ich getan habe – und über den Zauber.«
»Was haben Sie getan?« Ich kam nicht dagegen an. Das »was« klang wie die Unterstellung eines Verbrechens und schimpfte meine Unschuld – die durch ein an der Bahnhaltestelle wartendes Einhorn bestätigt wurde – Lügen. Zu deutlich erinnerte ich mich an Tatjana Frankes Panik und an ihre Worte. Aber der Bovidaeus hatte keine Ahnung von meinem Wissensvorsprung. Stattdessen wirkte er betroffen, obwohl er mich direkt ansah. Anscheinend war er es nicht gewohnt, verurteilt zu werden, bevor er eine Schuld gestanden hatte.
»Ich …« Unsicher trat er einen Schritt zur Seite.
Ich konnte sehen, wie die Welt hinter Sandros Augen kippte. Sich über einen Abgrund beugte, den Halt verlor, verschwand – und einer anderen Realität Platz machte. Er sah mich an und rückte mich in den Fokus seiner neuen Weltordnung. »Sie sind bezaubernd!«
Ich starrte auf die Stelle, die Sandros Weltbild verändert hatte. Wer auch immer den Zauber platziert hatte, er war gut. Gut genug, um zu wissen, dass ich diejenige sein würde, die das Gebäude als erstes verlassen würde. Ich wäre direkt hineingelaufen!
»Wirklich!«
Alarmiert trat ich einen Schritt zurück, als der Anführer der Paarhufer näher kam. Seine Bewegungen versprachen Sinnlichkeit und waren so geschmeidig, wie ich es ihm niemals zugetraut hätte.
Anscheinend ist er doch nicht umsonst der SuperStier!
»Ich will dich küssen!«
In einer stummen Verneinung schüttelte ich den Kopf. Ich musste Sandro wegbringen, bevor die Journalisten das Gebäude verließen – der Hausmeister hatte mir lediglich fünf Minuten Vorsprung zugesagt.
»Sandro?«
Die weibliche Stimme lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Person, die ich eigentlich nach dem Seminar gehofft hatte zu treffen. Leider lenkte sie nicht auch Sandro ab. Die Geschwindigkeit, mit der der Führer der Paarhufer nach mir gegriffen und meinen Mund in Beschlag genommen hatte, überrumpelte selbst mich. Nahezu zeitgleich spürte ich das Drängen der Magie. Der Liebeszauber übertrug sich auf die Person der Begierde! Für Sekunden verschwamm auch meine Realität, wurde unwirklich bis nichts mehr von Bedeutung war, außer der tanzenden Zunge in meinem Mund, den zärtlichen Lippen und fordernden Händen. Die Hitze zwischen meinen Beinen produzierte Feuchtigkeit, kribbelte durch meine Adern und ließ mich den Kuss erwidern. Mein Verlangen vermengte sich mit Sandros, meine Leidenschaften wurden eines im Wunsch zu besitzen und zu verschmelzen und selbst das Prickeln der magischen Kette war nur noch eine ignorierbare Nebensächlichkeit.
Erst Tatjanas herzhafter Fluch riss mich zurück in die Wirklichkeit. Doch jetzt konnte ich die Liebesmagie in meinem Inneren fühlen, die Lust und die Leidenschaft, die durch den Zauber freigesetzt worden waren, fremde Emotionen in einem Körper, der trotz seiner Menschlichkeit und trotz der Magie des Rates noch immer mit der Seele eines Buhlwesens verbunden war. Meiner. Abrupt befreite ich mich aus Sandros Umarmung, aber es war zu spät. Die »Übersinnliches für Jederman«-Moderatorin hatte sich zur erneuten Flucht entschlossen und eine beträchtliche Wegstrecke hinter sich gebracht.
»Verdammt!« Ich umrundete Sergios Bruder und folgte Tatjana einige Schritte. Dann verharrte ich unschlüssig unter dem neugierigen Blick des Einhorns. Ich konnte der fülligen Moderatorin nicht folgen und ihr die Situation erklären. Nicht wenn Sandro wie ein liebestoller Stier hinter mir hertorkelte. Er würde sich von nichts in der Welt von seiner Liebe abbringen lassen und Gott allein wusste, wie viel Zeit mir noch blieb, den König der Paarhufer vor den Journalisten zu verstecken.
Erst einmal weg!
Ich entfernte mich von Sandro – nicht schnell genug, um seinen Jagdtrieb zu wecken, aber weit genug, um ihn langsam aber sicher von der drohenden Enthüllung fortzulocken. Schließlich galt Ratsregel Nummer 1 zu Liebeszaubern: Es gibt sie nicht! Und falls es sie geben würde, darf man sie weder benutzen, noch es Menschen wissen lassen!
Um es bei dieser Unwissenheit zu belassen, bog ich um die Ecke und in einen dunklen Seitenweg. Dort wartete ich einen Moment, damit Sandro den Anschluss nicht verlor. Aber er folgte mir. Natürlich. Er hatte ja keine Wahl. Apropos. Ich griff nach meinem Handy, während ich geistig nach Regel Nummer 5 der nicht existierenden Liebeszauber blätterte: Was macht man mit jemanden, der von etwas getroffen wurde, was es nicht
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