Erregende Ermittlungen
Ausbuchtung unter seiner Weste sah verdächtig nach einem Schulterholster aus. Sie dachte erst gar nicht darüber nach, sich in ihrem Zustand mit ihm anzulegen.
Der weiße Toyota-Lieferwagen stand auf einem Waldparkplatz direkt am Ufer. An einer baufälligen Holzpier lag ein offenes Boot mit einem großen Außenbordmotor. Sie ließ sich widerstandslos hinein treiben und sackte auf einer Sitzbank in der Mitte zusammen. Als das leichte Schwanken des minimalen Seegangs ihren Magen erreichte, floh dieser eilends in Richtung Hals. Mit einem kläglichen Laut beugte sie sich zur Seite und erbrach sich elendig in das übelriechende Brackwasser. Jemand lachte spöttisch.
Gleich darauf jaulte der Bootsmotor auf und sie nahmen Kurs auf das offene Meer. Sie ließ ihren Kopf auf dem Dollbord ruhen und sah zurück, auf den weißen Halbkreis des Kielwassers. Wo sie hinfuhren interessierte sie nicht besonders. Sie verfolgte, wie eine grau gekleidete Gestalt die Türen des Lieferwagens schloss. Gleich darauf holperte dieser zurück zur Straße und verschwand zwischen den Bäumen.
Die Fahrt dauerte über eine halbe Stunde, und mit Hilfe des frischen Fahrtwindes und der regelmäßigen Spritzer, die über Bord kamen, erwachten zumindest einige ihre Lebensgeister wieder. Sie fuhren in regelmäßigem Tempo an der Küste entlang Richtung Süden. Ein Mann steuerte das Boot, sie konnte nur eine vierschrötige Gestalt und einen hellblonden Haarschopf erkennen. Der andere, der große Schwarze, saß im Heck und ließ sie keine Sekunden aus den Augen. Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Ihr Hals fühlte sich an, als sei er mit Stacheldraht umwickelt. Innen und außen.
Na schön, du Super-Cop. Jetzt hast du es endgültig versaut! Wenigstens ist John außer Gefahr. Hoffe ich, jedenfalls. Was nun?
Als der Motor plötzlich tiefer dröhnte blickte sie auf. Das Ufer stand als Scherenschnitt vor dem Gegenlicht der tief stehenden Nachmittagssonne. Direkt vor dem Boot schälte sich der zackige Umriss einer bewaldeten Insel aus dem Hintergrund. Die Form kam ihr vage bekannt vor. Natürlich! Das musste Picket Island sein, vom Meer aus gesehen.
Sie tuckerten langsam zwischen zwei ausragende Felsen in eine spaltförmige Bucht, deren Ende eine Holzpier bildete. Dort wartete ein weiterer Mann. Schwarzhaarig, drahtig, offenkundig mit Latino-Genen.
„Da seid ihr ja. Der Chef hat schon Hummeln im Arsch. Ihr sollt ihm die Frau sofort bringen.“
„He, ist ja nicht unser Problem, dass wir auf Eric warten mussten, oder?“
„Könnte es aber bald sein, wenn ihre euch nicht beeilt.“
Ihre zwei Begleiter stiegen fluchend aus und trieben sie ungeduldig vor sich her, den Weg entlang. Nach wenigen Schritten und einer Biegung um einen großen Felsen kam ein Gebäudeensemble in Sicht. Eine Art Herrenhaus, zweistöckig und aus Stein gebaut, daneben ein kleineres, älteres Häuschen und ein Schuppen aus rohen Holzdielen. Dahinter zeichnete sich schemenhaft das Gittergerüst eines Funkturms ab.
Tracey!
Der Gedanke riss Megan aus der ergebenen Passivität, mit der sie sich gegen die Wirklichkeit gepolstert hatte. Sie war nun also doch auf der Insel angelangt. Leider nicht in einer Situation, in der sie sich um ihr hypothetisches Entführungsopfer hätte kümmern können.
Fahin erwartete sie mit verschränkten Armen vor dem herrschaftlichen Eingang des Haupthauses. Megan spürte seine unterdrückte Erregung, aber er musterte sie ohne jeden Ausdruck. Sie starrte genauso zurück. Es gab nichts zu sagen.
Der Ägypter gab seinen Männern ein Kopfnicken, und sie wurde an den Armen ergriffen, ins Haus gezerrt, und dann eine Treppe hinunter. Ein Gewölbekeller, ein Gang, eine nackte Glühbirne. Altertümliche Türen links und rechts. Sie wurde durch die letzte ganz hinten gebracht. In dem kleinen Kellerraum dahinter befanden sich nur ein alter Holzstuhl und eine Werkbank, auf der einige Plastikboxen lagen. Es überraschte sie nicht im Mindesten, dass die Männer sie auf den Stuhl zwangen und sie schnell, aber effizient mit großen Kabelbindern daran fesselten.
„Die Kleine stinkt!“, meinte Fahin, der direkt hinter ihr herein gekommen war, nachdem er den großen Fleck auf ihrer Hose und die Spuren des Erbrechens an ihrer Bluse betrachtet hatte. „Holt mal ein paar Eimer Wasser!“ Er wuchtete ein schweres Gerät, das er mitgebracht hatte, auf den Tisch und wartete dann wieder reglos, bis seine Helfershelfer mit alten, farbverschmierten Eimern kamen und diese
Weitere Kostenlose Bücher