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gegeben hatte. Auch eine Handtasche war dabei, bereits gepackt mit ihrem chinesischen Ausweis und ihrem chinesischen Reisepass, einer etwas abgegriffenen Brieftasche mit Kreditkarten, Geld, Fotos und anderen nachvollziehbaren Brieftascheninhalten, halbvollen Döschen mit ihren üblichen Kosmetika, vor allem Sachen von Shiseido, die in jeder Stadt der Welt zu kriegen waren, und anderem Handtaschenkrempel wie benutzten Zugfahrkarten, Quittungen, Süßigkeiten, Hustenbonbons, Pfefferminzpastillen, Tampons, Zahnseide, einem Hotelnähset, Sekundenkleber und dem unvermeidlichen Kondom, Verfallsdatum von vor drei Jahren, kunstvoll auf alt gemacht, damit es so aussah, als hätte sie es nach der verpflichtenden Teilnahme an einem Safer-Sex-Workshop in ihre Handtasche geworfen und vergessen.
Der U-Boot-Kapitän überreichte ihr einen versiegelten Umschlag von anderthalb Zentimetern Dicke, der mit Geheimhaltungshinweisen übersät war. Sie öffnete ihn und fand drei Dinge:
• Einen Brief von ihrem Chef, der ihr auftrug, den genauen Aufenthaltsort von Abdallah Jones herauszufinden. Dieses Dokument hielt sich nicht damit auf, klarzumachen oder wenigstens anzudeuten, was für schreckliche Dinge Jones bald darauf widerfahren würden. Das machte es nur schwerer in ihrer Hand, so als wäre es auf Uranblech getippt worden.
• Die Akte ihres chinesischen Alter Ego. Das meiste davon hatte sie selbst geschrieben und sich eingeprägt, aber wie es schien, hatten sie die Akte gewissermaßen als Spickzettel hinzugefügt.
• Einen Anhang, in dem erklärt wurde, wie zum Teufel ihr Alter Ego sich plötzlich in Xiamen wiedergefunden hatte. Das las sie sehr sorgfältig, denn das alles kam für sie völlig überraschend.
An Bord des U-Boots befand sich ein Kommando des Special Boat Service. Einer der Männer zeigte ihr eine Stelle, wo ein zusätzlicher Behälter an den Rumpf des U-Boots angeschweißt worden war, wie eine Talgzyste bei einem Kamel. Zugänglich war er durch ein System von Luken. Olivia war sich ziemlich sicher, dass er das teuerste einzelne Objekt war, das sie je in ihrem Leben gesehen hatte. Der Behälter war ein winziges U-Boot, das bis zu einem halben Dutzend Mann fasste. »Zur Not aber auch fünf Männer und eine Frau«, sagte der SBS -Mann. In mancher Hinsicht war es ein einfaches Seefahrzeug, das nicht dazu gedacht war, mit Luft gefüllt zu werden oder dem Druck des Meeres standzuhalten. Das Meerwasser lief hinein, und die Besatzung trug Taucherausrüstungen. Ansonsten war es jedoch voll mit etwas, was ihr wie eine fantastisch komplexe Navigations- und Tarnkappentechnik erschien.
Während sie den Tag überwiegend allein in dem U-Boot verbrachte, gab es am Abend Olivia zu Ehren ein schönes Abendessen im Offizierskasino, wo mehrere Toasts auf sie, ihre feine Art, ihren Auftrag, ihren Erfolg und so weiter und so fort ausgebracht wurden.
Und das war der Moment, in dem sie es mit der Angst zu tun bekam.
Man hätte meinen können, dass das schon früher passiert wäre. Es war ja nicht so, dass es an Andeutungen bezüglich der Natur des Plans gemangelt hätte. Was ihr jedoch an diesem Abendessen so an die Nieren ging, war gerade dessen Tradition: Über Hunderte von Jahren waren Männer der Royal Navy in unbekannte Teile der Welt hinausgezogen, um unglaublich riskante Dinge zu tun. Für die, die nicht gingen , war es eine Art, ihre Anerkennung zu zeigen – eine Vorform des Überlebendensyndroms.
Bisher war ihr das gar nicht so klar gewesen, aber: Irgendwie musste sie die chinesische Grenze überqueren. An einem legalen Hafen einzureisen, würde Spuren hinterlassen, die unmöglich mit ihrer Tarngeschichte in Einklang zu bringen wären. Selbst wenn sie es mit gefälschten Papieren täte und diese dann verschwinden ließe, hätten die Chinesen Fotos von ihr, und man musste davon ausgehen, dass sie inzwischen Software zur digitalen Gesichtserkennung benutzten. Theoretisch hätte sie auch, zum Beispiel von Laos oder Tibet aus, über die Grenze wandern können, aber das kam ihr fürchterlich viktorianisch vor. Außerdem hatten sie einfach keine Zeit. Deshalb lief es jetzt so: Um drei Uhr morgens zog Olivia die Taucherausrüstung an und trug ihren wasserdichten Sack zu dem Miniatur-U-Boot, wo, wie versprochen, fünf der SBS -Männer warteten. Es folgte eine lange und ermüdende Prozedur, die mit Unmengen von Kontrolllisten einherging. Das Ding füllte sich mit Wasser und begann, sich unabhängig von dem großen U-Boot zu
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