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Error

Error

Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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besonders beunruhigt. Wie die meisten Sprengstoffe war das Zeug schwer entzündlich. Feuer allein würde noch nicht ausreichen. Es bedurfte irgendeines Zündmittels: eines Zünders wie etwa einer Sprengkapsel. So war es also durchaus möglich, dass das ganze Gebäude bis auf die Grundmauern herunterbrannte, ohne dass eine einzige Explosion stattfand.
    Allerdings war das eine vereinfachende Lesart der Situation. Außer ANFO gab es noch eine Menge anderes Zeug in dieser Wohnung. In den wenigen hektischen Augenblicken, die er sich dort aufgehalten hatte, war Sokolow zwar nicht imstande gewesen, eine systematische Bestandsaufnahme zu machen. Wenn sie aber vorgehabt hatten, das ANFO einzusetzen, und so sah es ja aus, dann mussten sie auch über Sprengkapseln verfügen; und wenn sie vorgehabt hatten, es bald einzusetzen, war davon auszugehen, dass sie bereits Sprengvorrichtungen zusammengebaut hatten, in denen die Zünder mit dem ANFO zusammengebracht worden waren. Und überhaupt konnte man nicht wissen, was für Zeug sie in dieser Teufelsküche, die er gerade hinter sich gelassen hatte, sonst noch zusammengemischt haben mochten: Die Terroristen hatten Rezepte für andere Sprengstoffe neben ANFO , die weit weniger stabil waren. Damit sprach ein starkes Argument dafür, sich so schnell wie möglich von diesem Gebäude zu entfernen. Das Kabelbündel bot ihm die Gelegenheit dazu.
    Das Hauptargument dagegen war, dass die Terroristen ihn mühelos abschießen konnten, während er unmittelbar vor ihren Fenstern über der Straße in der Luft hing.
    Er war jedoch imstande, sich so schnell, wie die meisten Männer rannten, an einem gespannten Drahtseil entlangzuhangeln. Und die wenigen Terroristen, die noch am Leben waren, mussten ziemlich beschäftigt sein. Das erleichterte die Entscheidung. Über eine Reihe von Fenstergittern und anderes Zeug hinweg kletterte er zu dem Kabelbündel, griff mit einer Hand danach, packte es und übertrug langsam sein Gewicht darauf. Das Bündel riss nicht von der Mauer ab. Gut. Nun ließ er das Mietshaus ganz los, schwang sich ins Freie, streckte die andere Hand aus, packte zu. Dann wieder. Und wieder.
    Dann spürte er, wie es abwärts ging, und sah das Bündel in den Himmel zurückschwingen.
    Das war etwas anderes als sich in einem militärischen Trainingslager an einem gespannten Drahtseil entlangzuhangeln. Das Bündel war ein Strang aus vielleicht zwei Dutzend einzelnen Kabeln, so farbenfroh wie ein Maibaum. Manche waren Strom-, manche Telefon-, manche Datenkabel, und manche waren nicht eindeutig zu identifizieren. Er konnte das Bündel nicht mit der ganzen Hand umfassen, und so musste er jedes Mal, wenn er sich vorwärtsschwang, mit den Fingerspitzen wie mit einem Messer mitten in das Ding hineinfahren und Halt an dem suchen, was sich gerade anbot. Das hatte die ersten paar Male funktioniert, aber dann hatte er einmal falsch gezielt, das Bündel verpasst und nur ein einziges Kabel erwischt, ein blaues Ethernet-Kabel, das sich spiralförmig um alle anderen Kabel wand, und jetzt zog sein Gewicht die Schlaffheit aus diesem einen Kabel und löste es von dem Bündel. Er streckte seine freie Hand nach oben, umfasste damit das gespannte blaue Kabel und zog sich weit genug hoch, um die andere Hand frei zu bekommen, dann wiederholte er das Ganze, wobei er zwar das Kabel hinaufstieg, aber nicht an Höhe gewann, da das blaue Kabel immer noch an Schlaffheit verlor. Nur um Armeslänge war er von dem Kabelbündel entfernt, konnte es aber nicht erreichen. Als das Kabel schließlich aufhörte nachzugeben, schwang er die Beine nach oben, was ihn einen Moment lang kopfüber hängen ließ, und schaffte es dann, beide Beine um das ganze Bündel zu schlingen. Das Gewehr und ein CamelBak-Trinkrucksack, die er auf dem Rücken trug, rutschten ans Ende ihrer Riemen und baumelten unter ihm. Ein paar Sekunden lang gestattete er sich zu verschnaufen, ehe er anfing, so schnell es ihm möglich war, an dem Bündel entlangzuklettern. Das ging viel langsamer als die Hangeltechnik, und er fühlte sich wie ein unfähiger Zivilist, aber das Risiko, es auf die andere Art zu machen, konnte er nicht eingehen. Jedenfalls war seine Sorge, abgeschossen zu werden, nicht allzu groß, da die Wohnung inzwischen komplett in Flammen stand. Kanister mit Lösemittel platzten auf und spien Schauer aus entflammbarem Dampf durch die Fenster.
    Yuxia wunderte sich darüber, wie lang der Schlosser mit der Zündung des Lieferwagens beschäftigt war. Im

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