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Verletzung am Kopf, und weinte. Mohammed lag inmitten einer großen Blutlache, die Hand immer noch um ein Funkmikrofon geklammert, auf dem Deck. Das Spiralkabel, das jetzt nahezu auf seine volle Länge ausgezogen war, führte beinahe senkrecht von dem Mikrofon zu einem kleinen Kasten, der oben auf die Steuerkonsole des Schiffs montiert war. Der Kasten war von einer Kugel durchbohrt, und das Fenster darüber wies zwei weitere Einschusslöcher und einen Fächer aus Rissen auf.
Das Mikro glitt aus Mohammeds schlaff werdender Hand, sprang hoch und hüpfte wie ein Jo-Jo am Ende seines Kabels.
Csongor machte etwas mit der Pistole, um sie zu sichern, und zog sich dann wieder auf eine grobe Bank an der hinteren Wand der Brücke. Mit seinen Knöcheln stimmte irgendwas nicht. Als Marlon hinüberging, um sie sich anzuschauen, sah er, dass sie mit mehreren Wicklungen Elektrodraht an den eisernen Stützwinkeln der Bank festgebunden waren. Eine Spule und eine Drahtschere lagen nicht weit entfernt auf dem Deck.
Marlon nahm die Drahtschere und warf sie Csongor zu, der sich daranmachte, sich loszuschneiden. »Ich bin eingeschlafen«, sagte er. »Er wollte das Funkgerät benutzen – um mit seinen Freunden zu sprechen, nehme ich an. Er muss aber gefürchtet haben, ich könnte vom Geräusch seiner Stimme wach werden. Angreifen konnte er mich nicht, da er nicht bewaffnet war. Deshalb hat er das gemacht. Er wusste, dass er genug Zeit haben würde, einen Notruf abzusetzen, bevor ich mich befreien und ihn daran hindern könnte. Aber dann kam Yuxia.«
»Kam sie denn rechtzeitig?«, fragte Marlon.
»Ich weiß es nicht«, sagte Csongor, »aber ich glaube schon.«
Mit einem Schritt über ein breites Band aus Blut, das sich einen Weg übers Deck gebahnt hatte, ging Marlon zu Yuxia. Auf dem Boden rollte eine mit Blut befleckte Taschenlampe herum. Ein starkes Ekelgefühl unterdrückend, hob Marlon sie auf und knipste sie an. Yuxia war bei vollem Bewusstsein, aber sehr durcheinander. »Lass mich mal sehen«, sagte er. »Lass mich mal sehen.«
»Es ist in Ordnung«, sagte sie. »Es ist nichts.«
»Lass es mich mal anschauen.«
»Es ist in Ordnung.«
»Ich möchte es sehen.«
Schließlich begriff er, dass ihr die Wunde am Kopf egal war und sie nur getröstet werden wollte. Da er es als nicht angemessen empfand, sie gerade jetzt in den Arm zu nehmen, legte er ihr seine freie Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. »Ich hole dir von Batu Eis«, sagte er.
»Danke«, sagte sie mit leisem Stimmchen. Wie ein Kind. Nicht wie sie.
Marlon stand auf und trat gerade in dem Moment durch die Luke auf die Laufplanke, als von oben laute Kratz- und Stoßgeräusche zu vernehmen waren. Batu war nicht unten in der Kombüse, wo Marlon ihn verlassen hatte, sondern oben auf dem Dach der Brücke. Trommelnde Schritte ließen vermuten, dass er sich jetzt rasch bewegte.
Eine große weiße Fiberglaskapsel kam krachend von oben herunter gerollt, wobei sie Marlon fast am Kopf erwischt hätte, und platschte an der Längsseite des Schiffs ins Meer.
Batu war über ihm, hockte wie eine Katze auf der Reling. Über eine Schulter hatte er sich eine verblichene Rettungsweste geworfen. »Unten im Frachtraum ist noch mehr Wasser«, sagte er. »In Plastikfässern. Seien Sie sparsam damit. Sie wissen nicht, wie lange Sie treiben werden.« Und dann sprang er von der Reling und stürzte vielleicht fünf Meter hinunter ins Wasser.
Die weiße Kapsel hüpfte jetzt in der Hecksee des Schiffs. Sie war aufgefallen und etwas Großes, Orangefarbenes erblühte auf dem Wasser: die Rettungsinsel, die sich automatisch aufblies. Mit dem Bauch auf seiner Schwimmweste paddelte Batu wie ein Hund auf sie zu.
Marlon ging wieder auf die Brücke, wo er geschickt über eine Blutlache von beachtlichem Ausmaß an die Steuerkonsole trat und den Gashebel ein Stück nach hinten zog. Dann drehte er das Ruder so herum, dass der Schiffsbug genau nach Osten zeigte, nach Taiwan.
»Warum hast du den Motor gedrosselt?«, fragte Yuxia.
»Um Sprit zu sparen«, sagte Marlon.
»Glaubst du, dass er uns ausgeht?«, fragte Csongor.
»Batu ja.«
GUT , BIS UM ELF .
So lautete die SMS , die Olivia auf ihrem Handy fand, als sie es am nächsten Morgen um 6.49 Uhr beim Pinkeln in einem Dickicht anschaltete. Es war die Antwort auf ihr BIN NACH HAICANG GEFAHREN UM NACH GROSSMUTTER ZU SEHEN vom Abend zuvor.
Genau genommen war die ganze Insel ein Dickicht; sie hatte für ihren Zweck eine besonders dichte
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