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Error

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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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einem ihrer Gänge zur Flugzeugtoilette in der vergangenen Nacht hatte Zula ihn im Mittelgang der Hauptkabine beten sehen, wobei er die Richtung, in der Mekka lag, offenbar anhand der auf dem Flachbildfernseher gezeigten elektronischen Karte bestimmt hatte. Eine seiner ersten Handlungen in dieser Hütte hatte darin bestanden, dass er aus einem der hinteren Zimmer ein Stück Teppich geholt und ihn nach Ostsüdost ausgerichtet hatte.
    Mahir und Sharif waren fast sicher ein Liebespaar. Wenn nicht, hatten sie die Männerfreundschaft auf eine Ebene gehoben, wie man sie in der abendländischen Kultur selten sah. Sie saßen ständig beieinander, und wenn Sharif mit Ershut auf einen Beutezug nach draußen ging, saß Mahir die ganze Zeit am Fenster und seufzte.
    Zula konnte sich frei bewegen, solange sie den Eindruck vermittelte, dass sie etwas Nützliches wie zum Beispiel Kochen oder Saubermachen tat. Einmal, als niemand groß auf sie achtete, nahm sie einen Notizblock und ein paar Bleistifte mit in ihr Zimmer und versteckte sie unter der Matratze. Später, als man für die Nacht wieder ihre Zimmertür zugenagelt hatte (sie hatte um zusätzliche Decken gebeten und auch welche bekommen), schrieb sie beim Licht einer Kerze (diese zumindest gab es reichlich) einen Brief in derselben allgemeinen Art wie den, den sie im Bad des sicheren Hauses in Xiamen auf ein Papierhandtuch gekritzelt und in den stillgelegten Wasserverschluss gestopft hatte. Dieser fiel etwas weitschweifiger aus, da sie buchstäblich die ganze Nacht Zeit hatte. Als sie damit fertig war, schob sie ihn unter die Matratze. Ihr Körper zeigte überhaupt kein Interesse daran, schlafen zu gehen. Sie versuchte, sich zu ermüden, indem sie sämtliche Übungen absolvierte, die ihr nur einfielen und die nicht viel Lärm machten: Liegestütze, Barrenstütze, Kniebeugen und ein Sammelsurium halb erinnerter Yoga-Übungen. Aber das erhöhte ihr Energielevel nur und machte alles noch schlimmer.
    Infolgedessen war sie um vier Uhr morgens hellwach, als das Gebäude langsam vom näher kommenden Grollen eines Motors durchdrungen wurde. Es war kein stetiges Dröhnen wie von einem hochfliegenden Flugzeug, sondern ein unregelmäßiges Hochdrehen und Drosseln. Nach einer Weile wurde es so laut, dass Ershut aufwachte. Durch Lücken am Rand der Holzplatte, die sie vor ihr Fenster genagelt hatten, konnte Zula sehen, dass das Scheinwerferlicht eines, wie sie vermutete, wild schlingernden und holpernden Fahrzeugs über sie hinwegstrich, das auf sie zukam. Ershut hämmerte gegen die (offensichtlich verschlossene) Tür des Raums, wo Mahir und Sharif in Löffelchenstellung schliefen. Dann hörte sie, wie Füße trampelten, Magazine in Gewehre eingeführt und Verschlussstücke zurückgezogen wurden.
    Dann ertönte unmittelbar vor dem Gebäude eine Hupe. Eine Fahrzeugtür ging auf. Männer begannen auf Arabisch zu rufen, aber das Geräusch ihrer Stimmen ging in einer Salve von Gewehrfeuer unter. Das hellklingende Knattern wurde von den Wänden gefiltert, aber das tiefe Hämmern kam durch und ließ ihre Nasenlöcher brennen. Mit der Absicht, unters Bett zu kriechen, ließ sie sich auf den Boden fallen, kam dann aber zur Besinnung und begriff, dass ihr das überhaupt nichts nützen würde. Doch dann hörte sie die Männer draußen ausgelassen lachen und »Allahu akbar« rufen.
    Es handelte sich nicht um einen Schusswechsel, sondern um Freudenschüsse. Die Dschihadisten hatten ein Fahrzeug, und da es bis zu ihrem Camp gekommen war, musste es auch imstande sein, sie davon wegzubringen.
    Zula fragte sich, ob die Dschihadisten schlicht nicht bei Trost waren, weil sie zum Ausdruck ihrer Freude in die Luft schossen, wo sie sich doch tief hinter den feindlichen Linien befanden. Oder war ihnen irgendetwas über diesen Ort bekannt, wovon sie nichts wusste? War er möglichwerweise wirklich so entlegen, dass blindwütige Salven aus automatischen Waffen mitten in der Nacht von menschlichen Ohren ungehört blieben?
    Das würde sie bald genug herausfinden. Wenn die Cops kamen und den Laden hier auf den Kopf stellten – was, wie sie annahm, früher oder später passieren musste –, würden sie mit Sicherheit ihren Brief finden. Das hob ihre Stimmung beträchtlich, da ihr seit ein, zwei Tagen sehr zusetzte, was ihre Familie durchmachen musste. Für sie würde dieser Zustand unerträglicher Ungewissheit anhalten, bis der Schnee schmolz und das Flugzeug freigelegt wurde. Irgendwer würde es bemerken. Vielleicht

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