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Error

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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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beteten erneut, kochten Mittagessen, ruhten schmerzende Muskeln aus und schlangen Bandagen um verrenkte Knöchel. Richard zog sich seinen Hut übers Gesicht und tat so, als schliefe er, blieb in Wirklichkeit aber die ganze Zeit wach und legte sich im Kopf seinen Plan zurecht. Nach dieser Pause würden sie eine weitere Etappe zurücklegen, und er würde ihnen zeigen, wie man den Wasserfall umging: noch eine erstaunlich schwierige Operation. Danach würden sie das Lager für die Nacht aufschlagen, und Jones würde ihn umbringen oder auch nicht. Wenn nicht, würde Richard versuchen, nach Einbruch der Dunkelheit zu verschwinden. Der Wasserfall lag tief in einem Felsenkessel, der so dicht mit von Sprühnebel genährter Vegetation bedeckt war, dass nicht einmal GPS -Signale durchkamen. Handys konnte man komplett vergessen.
    Wenn er bloß eine Taschenlampe hätte.
    Dann fiel ihm ein, dass er ja eine hatte, ein kleinfingergroßes LED -Lämpchen an seinem Schlüsselring.
    Wasser bekäme er aus dem Fluss. Ein paar Energieriegel wären vielleicht nützlich, und davon hatte er zwei in seinem Rucksack, die er sich unauffällig in die Hosentaschen stecken konnte, wenn niemand hersah.
    Er war im Verlauf weniger Stunden von völlig hoffnungslosem Zynismus dazu übergegangen, müßig mit dieser verrückten Idee zu spielen, sie ernsthaft zu erwägen, zu entscheiden, dass sie ausführbar war. Dass er sie ausführen würde. Als sie sich wieder in Marsch setzten und sich am Fluss entlang auf den Wasserfall zuarbeiteten, war er gedanklich bereits mehrere Kilometer voraus und versuchte sich an den Weg zu erinnern, den er heute Nacht aus der Schlucht heraus und auf die unteren Hänge des Berges nehmen würde.
    Sie überquerten die Grenze zu den Vereinigten Staaten, was nur an einem moosbedeckten Grenzstein erkennbar war, über den einer der Dschihadisten beinahe stolperte. Der Wasserfall lag unmittelbar rechts vor ihnen. An sein unteres Ende gelangten sie, indem sie einen hohen Felssims an seiner Ostseite entlanggingen, von dem aus man auf ihn hinuntersah. Es endete an einer steil abfallenden Felswand, die sie zwang, bis zum Flussufer abzusteigen, um weiter südwärts voranzukommen. Wie Richard nun erklärte, gab es eine Möglichkeit, von hier aus hinunterzuklettern; es musste eine geben, sonst wäre es niemals möglich gewesen, wieder zurückzukommen. Aber in diese Richtung war der Abstieg erheblich leichter, wenn man einfach Seile benutzte. Richard hatte Jones schon lange vorher darauf aufmerksam gemacht, weshalb dieser darauf geachtet hatte, ein paar gute lange Seile mitzubringen. Hier oben machten sie kurz Rast, damit einige die Aussicht genießen konnten, während andere, die sich mit solchen Sachen auskannten (oder es behaupteten), das Seil an einer riesigen Zeder festmachten, die am Rand der Felswand wuchs. Die Hälfte der Männer kletterte hinunter, um das Gelände zu erkunden. Dann schickten sie Richard. Dann kletterten die Übrigen herunter. Er hatte das Gefühl, dass das gründlich durchdacht war; sie befürchteten, dass er einen Fluchtversuch machen könnte, und wollten sicherstellen, dass an beiden Enden des Seils ein paar Leute waren, die ihn im Auge behalten konnten.
    Sobald sie unten angekommen waren, gab Jones Abdul-Ghaffar, dem weißen amerikanischen Dschihadisten, einen Befehl und wies dabei bedeutungsvoll mit dem Kinn auf Richard. Dieser hatte das noch gar nicht richtig registriert, als Abdul-Wahaab (für Richard »der andere Abdul«, offenbar Jones’ ranghöchster Unterführer) seine Pistole zog, sie durchlud und damit aus drei Metern Entfernung auf Richards Brust zielte. »Ich möchte, dass Sie sich hinstellen, die Füße ungefähr eine Schulterbreite auseinander«, sagte Abdul-Ghaffar in seinem ausdruckslosen, mittelwestlichen Tonfall. Aus seinem Rucksack zog er ein Bündel schwarzer, extra haltbarer Kabelbinder: nicht die schmalen, mit denen man widerspenstige Internetkabel in Büroräumen bändigte. Diese hier waren etwa einen Zentimeter breit und sechzig Zentimeter lang.
    Nichts davon sah nach dem Beginn einer Hinrichtung aus. Richard, müde und überrumpelt, war ohnehin auf dem falschen Fuß erwischt worden. Wie von Abdul-Ghaffar verlangt, stellte er sich hin, und Abdul-Ghaffar kniete sich hinter ihn und schlang ihm oberhalb seiner Wanderstiefel je vier Kabelbinder um jedes Bein, die er übereinander anordnete, sodass eine breite Schelle um jeden Knöchel entstand. Unter diesen Schellen führte er weitere

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