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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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verwendet werden, hell und dunkel, das hängt von den Absichten des Benutzers ab.
    Als Nächstes stellte Incy acht schwarze und vier purpurne Kerzen auf und zündete sie mit einem ganz normalen silbernen Feuerzeug an. Die zusätzlichen Kerzen machten das Ganze noch widerlicher: Katys Blut leuchtete jetzt noch roter und das verdorrte, verschrumpelte Gesicht von Boz sah plötzlich leicht grünlich aus. Das Kerzenlicht tauchte die Ecken des riesigen Lagerhauses in tiefe Schatten. Ich hoffte auf einen vorbeifliegenden Verkehrshubschrauber; er würde den Verdacht auf Vandalismus melden und dann kämen die Bullen ...
    »All diese wundervolle Kraft«, hauchte Incy. »Nastys wundervolle, wundervolle Kraft. Meins, alles meins. Ich werde so stark sein. Miss Edna wird staunen. Vielleicht wird Miss Edna sogar Angst vor mir haben.« Er kicherte.
    »Wer ist Miss Edna?« Meine Zunge fühlte sich geschwollen an und es fiel mir schwer, die Worte hervorzubringen. Ich war hellwach, gleichzeitig aber vollkommen bewegungsunfähig. Jede Sekunde schien eine Ewigkeit zu dauern, aber ich konnte mich nicht rühren, spürte nicht einmal mehr meine Hände.
    »Das wird ein Festessen.« Incys Stimme war jetzt ein beinahe kindlicher Singsang. »So lecker und nahrhaft.« Er richtete sich auf und sah mich an. »Miss Edna. Miss Edna ist ...
    sehr alt. Sehr mächtig. Aber nicht so alt und mächtig wie ihr Meister.« Er schwenkte die Hand. »Dieses Lagerhaus gehört übrigens ihrem Meister.«
    Heilige Scheiße. »Ihrem Meister?« So was gab es?
    Incy kicherte wieder und kehrte zu den Vorbereitungen für seinen dunklen Zauber zurück.
    »Wer ist ihr Meister?« Meine Zunge war immer noch so dick, dass das Sprechen sehr schwierig war.
    Incy runzelte die Stirn und schwenkte drohend einen Finger in meine Richtung. »Das geht dich nichts an! Und jetzt halt den Mund!«
    Ein Meister?
    »Ich werde so stark sein, so stark«, sang Incy. Er blieb bei jedem Stück Hämatit stehen und sprach ein paar Worte, in denen seine perverse Gier nach Macht nicht zu überhören war.
    Ich würde schon bald tot sein. Das war eine merkwürdige Erkenntnis. Es hatte in den vierhundertneunundfünfzig Jahren meines Lebens öfters Gelegenheiten gegeben, bei denen ich mir gewünscht hatte, tot zu sein. Aber erst jetzt, in diesem Jahr, in diesem Monat und an diesem Tag erkannte ich, was es bedeutete, am Leben zu sein. Dass mein Leben einen Sinn hatte. Bisher hatte ich die Zukunft als eine unendliche Zeitspanne betrachtet, die sich sinnlos vor mir erstreckte. Aber jetzt bestand meine Zukunft nur noch aus einem Teil der nächsten Stunde. Das war ... so unerwartet.
    Wenn doch nur River ...
    Da schoss mir ein Gedanke durch den Kopf und zerriss den Nebel, der dort herrschte. River war unglaublich stark, weil sie zum Haus von Genua gehörte. Und weil sie wirklich alt war und schon seit Jahrhunderten Magie studierte. Aber ein großer Teil davon kam einfach daher, dass sie in dieses Haus geboren war. Ich war ins isländische Haus der Unsterblichen geboren worden. Ich war genau wie River. Potenziell genauso stark wie sie. Natürlich war ich vollkommen untrainiert, hatte keine Ahnung, wie man zauberte, und war im Grunde kaum mehr als ein ignoranter Loser. Aber dennoch. Ich war die einzige Überlebende des Hauses von Ülfur, dem Wolf. Incy wollte mich doch nur wegen meiner Kraft. Und wenn er sie anzapfen konnte, wieso sollte ich es dann nicht auch können? Dieser Gedanke war ein solcher Schock, als hätte mir jemand Champagner ins Gesicht geschüttet. Jetzt konnte ich zum ersten Mal, seit Incy mich entführt hatte, wieder klar denken. Es kostete mich zwar Überwindung, aber ich verdrängte meine Trauer und meinen Ekel über den Tod von Boz und Katy und sah stattdessen Incy an. Er ging von einer Kerze zur anderen und sang über jeder eine kurze Strophe.

    Er sah ernst und wichtig und zutiefst glücklich aus. Und ungewöhnlich konzentriert und entschlossen. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie etwas so sehr gewollt.
    Ich war stark. Superstark. Unnatürlich stark. Ich dachte
    zurück an Helgar. Ich hatte in Reykjavik als Hausmädchen für sie gearbeitet, als ich Anfang zwanzig und schon Witwe war. Es war Helgar gewesen, die mich als Unsterbliche erkannt und es mir gesagt hatte - zu meiner totalen Verblüffung.
    Sie hatte mir von unserer Magie erzählt, wie wir in der Dunkelheit geboren wurden und in der Dunkelheit lebtenund dass

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